Immortal Guardians: Dunkler Zorn (German Edition)
hatte den Eindruck, dass Seth schon wieder lautlos bis zehn zählte, nur dass er dieses Mal auch noch etwas in einer Marcus unverständlichen Sprache murmelte.
Als er schließlich sprach, war seine Stimme sanfter geworden. »Es ist jetzt acht Jahre her, mein Freund.«
Marcus knirschte mit den Zähnen, während Verbitterung in ihm aufstieg. Er konnte sich bereits denken, wohin das führen würde.
»Ich weiß, dass Bethany mehrere Jahrzehnte so etwas wie ein Fanal der Hoffnung für dich war, ein Licht, das die Dunkelheit zurückdrängte. Durch sie hattest du einen Grund, weiterzuleben – trotz der Einsamkeit, die viele von uns umgibt. Aber jetzt ist sie fort. Und dieses Mal wird sie nicht zurückkommen.« Seth wusste wirklich gut, wie man die Klinge noch tiefer hineinstieß. »Ich habe dir acht Jahre Zeit gegeben, habe auf ein Zeichen gewartet, dass du dich erholst, dass du ein neues Ziel gefunden hast und mit der Vergangenheit abschließt. Aber stattdessen … haderst du mit dir und der Welt.«
»Mir geht’s gut«, fuhr Marcus ihn an.
»Nein, das tut es nicht. Du haderst mit dir und deinem Leben. So sehr, dass sich sogar Roland um dich sorgt.«
Das stimmte Marcus tatsächlich nachdenklich. Roland machte sich Sorgen um ihn?
Roland Warbrook, ein Unsterblicher, der hundert Jahre älter war als Marcus, war derjenige gewesen, der Marcus in den ersten Jahren nach seiner Verwandlung trainiert und angeleitet hatte. Für Marcus war er wie ein Bruder. Ein mürrischer, asozialer, paranoider älterer Bruder, den nur wenige leiden konnten. Ein Unsterblicher, der neunhundert Jahre in völliger Einsamkeit gelebt hatte, bis er vor anderthalb Jahren Sarah Bingham kennengelernt und geheiratet hatte.
Marcus hatte noch nie erlebt, dass sich Roland für das Privatleben eines der anderen Unsterblichen interessiert hätte, auch nicht für das seine. »Wie kommst du darauf, dass er sich Sorgen um mich macht?«, fragte er skeptisch.
Seth verdrehte die Augen. »Hm, lass mich mal nachdenken. Vielleicht, weil er es mir gesagt hat? Wir alle machen uns Sorgen um dich, Marcus! Roland, Sarah, David, Darnell, Lisette, Étienne, Richart, Reordon … Uns allen ist aufgefallen, dass du dich verändert hast, dass du Risiken eingehst, denen du dich früher nicht ausgesetzt hättest.«
»Was für Risiken?«
Seth deutete auf die schrottreife Hayabusa.
Marcus schnaubte verächtlich. »David fährt viel schneller als ich.«
»David kann sich den Arm wieder annähen, wenn er ihm abgetrennt wird.«
Marcus zuckte zusammen. »Wirklich? Ich dachte, er bräuchte dich dafür.« David war mächtiger, als er gedacht hatte.
»Wechsle nicht das Thema. Du weißt, dass wir momentan mit einer außergewöhnlichen Lage konfrontiert sind. Seit die Information durchgesickert ist, dass Sebastien eine Vampirarmee aufstellt, um die Unsterblichen Wächter zu Fall zu bringen, wird North Carolina von Vampiren überschwemmt. Statt nachts einem oder höchstens zwei Vampiren zu begegnen, trifft man inzwischen drei, vier oder noch mehr – manchmal sind sie sogar in Rudeln unterwegs. Und statt Verstärkung anzufordern, kämpfst du ganz allein gegen sie.«
»Ich stehe halt auf Herausforderungen.«
Seth schüttelte den Kopf. »Man sollte sich nicht nur dann lebendig fühlen, wenn man dem Tod ins Auge blickt.«
Verdammt. Woher wusste Seth so genau, wie es in ihm aussah? »Es geht mir gut«, wiederholte er und wusste selbst nicht, warum er diese Lüge immer noch aufrechterhielt. In Wahrheit war es ihm schon lange nicht mehr gut gegangen.
»Es geht dir nicht gut. Aber das wird es wieder. Und wenn ich dir jede Nacht einen Tritt in den Hintern verpassen muss, damit es dir besser geht.«
»Warum sollte mir ein Tritt in den Hintern helfen?«, nörgelte Marcus.
Seth zuckte mit den Achseln. »Immerhin werde ich mich dann besser fühlen.«
Marcus zeigte ihm den Stinkefinger. »Und du hast gedacht, wenn du mir eine Sekundantin aufs Auge drückst, kommt automatisch alles wieder ins Lot?«
Seth hob eine Augenbraue. »Wie häufig hast du in den letzten fünf Tagen an Bethany gedacht?«
Marcus öffnete den Mund, um ›häufig‹ zu entgegnen, zögerte aber. Verblüfft stellte er fest, dass er bis zu dem Moment, als Seth Bethany erwähnt hatte, kein einziges Mal an sie gedacht hatte. Er hatte seine ganze Energie darauf verwendet, Strategien zu ersinnen, die Amis Entschlossenheit, ihm als Sekundantin zu dienen, ins Wanken bringen sollten.
Seth lächelte selbstzufrieden und
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