Immortal Guardians: Dunkler Zorn (German Edition)
du gerade wieder an, du verrückter Kater?«
Er mochte ihre Art zu gehen. Obwohl sie klein war, machte sie keine Tippelschritte. Sie wackelte auch nicht übertrieben mit den Hüften. Nein, Ami machte große, zielstrebige Schritte, die in ihm das lang verschüttete Bedürfnis weckten, ihr wie eine Raubkatze zu folgen und sich auf sie zu stürzen.
Marcus runzelte die Stirn. Woher zum Teufel war dieser Gedanke gekommen?
Sie kehrte mit einer Kühltasche von der Größe einer Kinderbrotdose zurück und hielt sie ihm hin. »Hier.«
Er nahm sie entgegen. »Was ist das?«
»Soweit ich das beurteilen kann, haben Sie in letzter Zeit nicht regelmäßig gegessen, deshalb habe ich Ihnen einen Brunch zubereitet.« Die meisten Unsterblichen aßen pro Nacht bloß zwei Mahlzeiten: die Entsprechungen von Brunch und Abendbrot. »Da drin ist ein Blutbeutel, grüner Tee mit Ginseng und ein Sandwich. Vollkornbrot. Vegetarische Putenbrust. Außerdem Salat, Tomate, Schalotte, Paprika und ein bisschen Peperoni. Alles Bio. Ich weiß nicht, ob Sie das mögen; Seth, David und Darnell stehen total darauf.«
Bei ihren Worten begann Marcus’ Magen unwillkürlich zu knurren, was ihm von ihrer Seite ein mattes Lächeln einbrachte.
David war der zweitälteste Unsterbliche auf der Welt. Darnell war sein Sekundant. Wie viel Zeit hatte Ami mit ihnen verbracht?
Das Telefon klingelte.
Ami zuckte mit den Schultern. »Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Jagd.« Sie ging den Flur hinunter zum Arbeitszimmer.
Marcus hörte, wie sie den Hörer abnahm.
»Hallo?«
»Hallo Süße«, antwortete eine vertraute, sonore Stimme am anderen Ende der Leitung.
»Seth!«, rief sie freudig aus. »Wo bist du? Bist du in North Carolina?«
»Nein, ich bin zurzeit in Montreal, aber ich dachte, ich rufe mal an, um zu fragen, wie’s läuft.«
Mit finsterem Blick schlüpfte Marcus aus dem Haus und ging zu seinem Motorrad.
Was für eine Beziehung hatte Ami eigentlich zu Seth? Bisher hatte er noch gar nicht richtig darüber nachgedacht … sie schienen einander ziemlich gern zu haben. Er konnte sich nicht erinnern, jemals gesehen oder gehört zu haben, dass Seth einer Frau so viel Zuneigung entgegenbrachte. Andererseits wusste er auch nicht viel über Seths Liebesleben.
Er verstaute sein Essen in dem dafür vorgesehenen Fach unter dem Motorradsitz, setzte seinen Helm auf und befreite den unteren Teil seines Mantels, als er sich beim Aufsitzen verhedderte. Er hatte sowohl seine Suzuki Hayabusa als auch seinen Helm (der ursprünglich zweifarbig war) in einem seidig glänzenden Schwarz lackieren lassen, um besser mit der Nacht verschmelzen zu können.
Eine kühle Brise trug die typischen Geräusche North Carolinas zu ihm herüber. Das Summen, Trillern und Surren von Insekten. Der Ruf einer Eule. Fledermäuse, die über ihn hinwegflatterten. Das schwerfällige Tapsen eines Opossums und die lebhaften Schritte eines Waschbären tief im Wald. Grasendes Rotwild. Frösche, die brummten, piepsten und sirrten wie Gitarrensaiten.
Obwohl die Luft nicht mehr so frisch und klar war wie in seiner Kindheit, war die Landluft besser als die in den größeren Städten, die allzu häufig unter einer Smogdecke lagen.
Er fuhr gemächlich einen langen, gewundenen Kiesweg entlang und hielt Ausschau nach den kleinen braunen Kaninchen, die es sich in der letzten Zeit angewöhnt hatten, an den Gräsern und dem Unkraut zu knabbern, das zwischen den Kieseln wuchs.
Und tatsächlich: Zwei Augenpaare glühten dicht am Boden im Scheinwerferlicht, als zwei pelzige Tierchen in das dichte Unterholz links von ihm verschwanden.
Er lächelte und spürte, wie seine Anspannung nachließ. Dann steuerte er seine Maschine auf eine schmale, zweispurige Schnellstraße und gab Gas. Reine Seligkeit erfüllte ihn, als er in drei Sekunden von null auf siebzig Stundenkilometer beschleunigte. Der Wind riss an seinem langen, schwarzen Haar, dessen Strähnen unter dem Helm hervorlugten. Sein langer Mantel flatterte wie Flügel im Wind, während er allmählich die Geschwindigkeit steigerte.
Für einen Sterblichen wäre es Wahnsinn gewesen, diese Straße mit so hoher Geschwindigkeit entlangzurasen. Aber für einen Unsterblichen mit übernatürlich schnellen Reflexen war es wie ein Rausch.
Die Straße führte bergauf und bergab, schlängelte sich in engen Windungen dahin, und er legte sich so tief in die Kurven, dass er mit dem Knie fast über den Asphalt rutschte. Es gab nur vereinzelte Straßenlaternen, die er
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