Immortal Guardians: Dunkler Zorn (German Edition)
nicht schlafen, wenn sie sich nicht sicher fühlt.«
Schuldgefühle krampften Marcus den Magen zusammen, als er an die kleinliche Befriedigung dachte, die er verspürt hatte, als er die dunklen Schatten unter ihren Augen gesehen hatte. »Soll das heißen, dass sie Angst vor mir hat?«
Seth schürzte die Lippen. »Es ist keine Angst. Es ist …« Offensichtlich fiel ihm kein passendes Wort ein, und dass Seth die Worte fehlten, kam wahrlich nicht häufig vor. »Neue Menschen zu treffen, fällt Ami schwer. Das ist einer der Gründe, warum ich sie zu deiner Sekundantin gemacht habe. Sie braucht stabile Verhältnisse. Wie du weißt, kann ich nie vorhersagen, wo ich am nächsten Tag sein werde, wie viele Termine ich mit Unsterblichen oder anderen Mitgliedern des Netzwerks haben werde, und ob jemand meine Hilfe braucht. Man weiß auch nie, wer alles vorbeikommt, wenn ich zu Hause bin. Sie in meiner Nähe zu behalten, tut ihr nicht gut.«
In seiner Nähe zu behalten. Wieder fragte sich Marcus, was für eine Art Beziehung die beiden verband. »Und da dachtest du, es wäre schlau, sie einem Unsterblichen zuzuteilen, von dem du glaubst, dass er sich ziemlich nahe am Abgrund bewegt?«
Seth musterte ihn grimmig. »Ich hatte gehofft, dass du dich zusammenreißen und sie akzeptieren würdest, und nicht, dass du dir ein Beispiel an Roland nimmst.«
»Wenn ich mir wirklich ein Beispiel an Roland genommen hätte, dann wäre sie zehn Minuten, nachdem du gegangen bist, schreiend aus dem Haus gerannt.«
Diese Vorstellung schien Seth aus irgendeinem Grund zu amüsieren. »Du solltest sie nicht unterschätzen. Ami fühlt sich vielleicht Fremden gegenüber unbehaglich und leidet unter etwas, das manche als einzigartige posttraumatische Störung bezeichnen würden, aber sie ist durchaus imstande, dir einen Arschtritt zu verpassen.«
»Das glaube ich kaum«, bemerkte Marcus spöttisch.
Seth lächelte. »Ich würde es nicht darauf anlegen, wenn ich du wäre. Nimm es einfach hin, akzeptier sie als deine Sekundantin, und alles ist in Ordnung.« Er zog seine Taschenuhr aus der Hose und klappte sie auf. »Ich muss gehen. Xavier erwartet mich in Montreal.«
»Warte. Könntest du mein Motorrad reparieren, ehe du gehst?«
»Sehe ich aus wie ein Mechaniker?«
Marcus fluchte. »Nach Hause zu sprinten und alles neu zu organisieren, kostet mich wertvolle Jagdzeit.«
Seth zuckte mit den Achseln. »Das ist nicht mein Problem. Ruf deine Sekundantin an.«
Im nächsten Augenblick war er verschwunden.
Marcus blieb der Seufzer im Halse stecken, so heftig war der Schmerz, der durch seinen Brustkorb zuckte.
Ächzend murmelte er: »Ich hätte ihn bitten sollen, meine verdammten Rippen zu reparieren, statt das Motorrad.«
Die Geräuschkulisse aus Insektensummen, Froschquaken und anderen Nachttieren fand wieder zum normalen Lautstärkepegel zurück, während er das Handy aus der Manteltasche zog.
Er schlenderte zu seiner verbeulten Hayabusa und blieb dann mitten auf der Straße stehen, an der Stelle, an der der schmale Highway eine scharfe Rechtskurve machte. (Die Busa hatte sich dafür entschieden, geradeaus weiterzufahren, und war in zwei Bäume gekracht, deren Stämme über dem Boden zusammengewachsen waren.) Marcus wählte Chris Reordons Telefonnummer.
Seth hatte über die Jahrhunderte – wenn nicht Jahrtausende – einen Großteil seiner Zeit darauf verwendet, ein Netzwerk aus menschlichen Helfern aufzubauen, die das Anliegen der Unsterblichen Wächter unterstützten. Diese Menschen standen ihnen auf jede erdenkliche Weise zur Seite und hielten ihre Existenz (die der Vampire und die der Begabten ) vor dem Rest der Gesellschaft geheim. Chris Reordon leitete die Ostküstenabteilung dieses Netzwerks in den USA und war – wenn man den Gerüchten Glauben schenken konnte – ihr bester Agent, vor allem, weil er viele Freunde in sehr interessanten Positionen hatte. Es gab keine Polizeidienststelle und keine Behörde, die er nicht infiltriert hätte. Er hatte es sogar fertiggebracht, Echtzeit-Spionagesatellitenüberwachungsbilder zu organisieren, als Marcus, Roland, Seth, Étienne und Lisette Bastiens Unterschlupf gestürmt hatten.
»Reordon«, meldete sich eine männliche Stimme am anderen Ende der Leitung.
»Hi, Chris, hier ist Marcus.«
»Hey, Kumpel. Wie geht’s?«
»Nicht besonders. Meine Maschine ist im Arsch.«
»Oh verdammt. Doch nicht die Hayabusa?«
»Genau die.«
»Bitte sag mir, dass es nur ein Kratzer ist.«
Marcus betrachtete
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