Immortal Guardians: Dunkler Zorn (German Edition)
Seth. In Wahrheit war er sich alles andere als sicher, wer aus diesem Kampf als Sieger hervorgehen würde. »Aber ihr solltet im Hinterkopf behalten, dass ich meine Macht in der ganzen Zeit, in der ihr nur herumgesessen und beobachtet habt, weiterentwickelt habe. Ich habe meine Fähigkeiten trainiert und bin stärker geworden.«
Der Besucher schüttelte den Kopf und begann sich langsam zurückzuziehen. »Niemand darf erfahren, wer du bist. Wenn sie herausfinden, wer du bist, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie herausfinden, wer wir sind. Das können wir auf keinen Fall zulassen.«
»Weil ihr euch ausschließlich für euer eigenes Wohlergehen interessiert«, kommentierte Seth trocken. »Oder interessiert habt. Ich frage mich allerdings, ob dein Kommen nicht ein Hinweis auf einen Sinneswandel ist.«
Sein Gesprächspartner antwortete nicht und machte weitere Schritte nach hinten.
»Ihr habt doch nicht etwa entdeckt, dass in eurer Brust ein Herz schlägt? Oder ist euch langweilig geworden? Denkt ihr vielleicht daran, euch unseren Reihen anzuschließen und euch ins Leben zu stürzen, statt es immer nur aus der Distanz zu beobachten?«, stichelte er.
Der Mann blieb stehen und spannte die Schultermuskeln an. Zwei Flügel wuchsen aus seinem Rücken und breiteten sich hinter ihm aus. Von halbtransparenter Beschaffenheit, erreichten sie voll ausgebreitet eine Spannbreite von fast vier Metern. Dort, wo die Federn entsprangen, hatten sie dieselbe Farbe wie die Haut des Mannes, während sie sich zu den Spitzen hin verdunkelten.
»Mach dem einfach ein Ende, Seth.«
Der andere beugte die Knie und schraubte sich mit jedem kräftigen Flügelschlag höher in die Luft. Wie eine Rakete sauste er in den Nachthimmel, wo er schließlich zwischen den heranziehenden Wolken verschwand.
Bevor Seth über die seltsamen und zugegebenermaßen beunruhigende Wendung der Ereignisse nachdenken konnte, klingelte erneut sein Handy.
»Was?«, bellte er.
»Wo zur Hölle bist du gewesen?«, brüllte ihm Marcus ins Ohr.
Seth teleportierte sich, indem er Stimme, Gedanken und dem Signal von Marcus’ Handy folgte, in dessen Gästeschlafzimmer.
Ami lag reglos unter der Bettdecke, ihre Augen waren geschlossen, ihr Gesicht war zerschrammt und an mehreren Stellen geschwollen. Blutbeschmiert und zerknittert tigerte Marcus mit langen, erregten Schritten neben dem Bett auf und ab.
Sobald er Seth sah, steckte er das Handy in die Hosentasche und wiederholte: »Wo zur Hölle bist du gewesen? Du kannst mir nicht erst damit drohen, mich zu töten und mich in Stücke zu reißen, wenn Ami was passiert, und dich dann vom Acker machen! Sie hat dich gebraucht! Wo bist du verdammt noch mal gewesen?«
Seth konnte Amis Herzschlag hören: langsam und regelmäßig. Ihre Atmung: tief und gleichmäßig. »Was ist passiert?« Er setzte sich neben sie auf das Bett.
Marcus lief weiter im Zimmer auf und ab und raufte sich in einer Mischung aus Wut und Angst das ohnehin schon zerzauste Haar. »Ami ist kurz nach deinem Verschwinden bei mir aufgetaucht – und als Nächstes haben uns vierunddreißig Blutsauger angegriffen.«
Seth musterte ihn entsetzt. »Vierunddreißig? Nur Vampire? Keine Lakaien?«
»Ausschließlich Vampire. Dein verdammtes Netzwerk ist infiltriert worden. Ich werde nie wieder Roland wegen seiner Paranoia kritisieren. Die haben todsicher einen Tipp bekommen.«
Marcus war wirklich mit den Nerven fertig und offenbar drauf und dran, eine gepfefferte Schimpfkanonade loszulassen, und Seth war sich nicht ganz sicher, was ihn dazu antrieb. Am Kampf konnte es nicht liegen. Zurzeit lebte Marcus für diese Art von Herausforderung. Er hätte euphorisch sein müssen. Und dennoch …
»Wie war das mit dem Netzwerk?« Seth legte eine Hand auf Amis Stirn und eine auf ihre Brust.
»Ich scheiß’ auf das Netzwerk«, blaffte Marcus. »Kommt Ami wieder in Ordnung? Sie hat doch keine Gehirnerschütterung? Hat sie zu viel Blut verloren? Sie hat zu viel Blut verloren, stimmt’s? Ich wusste es!«
Blinzelnd starrte Seth Marcus an. Marcus machte sich Sorgen um Ami? Vor einer Stunde hatte er Seth buchstäblich angefleht, ihn von ihr zu befreien.
»Und?«, drängte Marcus.
Seth wusste nicht, was er davon halten sollte. Marcus schien wieder zu sich gekommen zu sein. Aber mit einem so schnellen, gründlichen Sinneswandel hatte Seth nicht gerechnet.
»Es geht ihr gut.«
»Es geht ihr nicht gut! Sieh sie dir doch an!«
Das tat er. Seine Hände wurden warm. Die
Weitere Kostenlose Bücher