Immortal: In den Armen der Dunkelheit
er nur konnte. »Jenna, das tut mir wirklich leid.«
»Hätte ich einfach gemacht, worum sie mich baten, wären sie nicht gestorben«, schluchzte sie an seiner Brust. »Es ist meine Schuld, dass sie tot sind.«
»Nein«, erwiderte er fest. »Schuld war der Fahrer des Sattelschleppers. Hätte er die rote Ampel nicht übersehen, wären deine Eltern zur Schule gefahren und hätten gesehen, dass deine Schwester schon mit dem Bus unterwegs nach Hause war. Du warst für ihren Tod ebenso wenig verantwortlich wie für Sarahs. Dieser Dschinn war extrem mächtig. Du darfst dir das nicht vorwerfen!«
Er spürte, dass sie abermals den Kopf schüttelte. Es brauchte wohl sehr viel mehr als seine Worte, bis sie sich selbst vergab. Er konnte nichts weiter tun, als bei ihr zu bleiben und sie zu trösten. Falls nötig, würde er sie für immer in den Armen halten, denn so seltsam es war, war er dazu bereit. Und eigentlich war er gar kein Kuscheltyp.
Schließlich entwand Jenna sich ihm und wischte sich die Augen trocken. »Danke, dass ich dich vollheulen durfte«, sagte sie leise, ohne ihn direkt anzusehen. »Und dass du mit mir geredet hast. Ich habe noch nie jemandem erzählt, was an jenem Tag passierte.«
Behutsam wischte er ihr eine Träne von der Wange. »Ich bin froh, dass du es mir erzählt hast.« Nun trat eine merkwürdige Stille ein, die Dave sogleich brach. »Es ist schon fast Mittag. Gehen wir rein und schlagen uns den Wanst voll!«
Als sie nickte und lächelte, sammelten sie ihre Sachen zusammen und kehrten in die Kabine zurück.
Während des Essens war es zwischen ihnen anders als zuvor, stellte Jenna fest. Ihre fortwährenden Sticheleien hatten eine Leichtigkeit angenommen, und zwischen ihnen keimte eine Freundschaft auf, die versprach, mehr zu werden, was gleichermaßen aufregend wie verboten war. Jenna musste sich anstrengen, um bei ihrer Unterhaltung nicht den Faden zu verlieren, denn so harmlos und freundlich ihr Gespräch sein mochte, knisterte es deutlich, wann immer sie einander ansahen.
»Ich bereue es kein bisschen, dass ich dich nicht allein auf diese Kreuzfahrt gehen ließ«, gestand Dave, nachdem sie beide für einen Moment geschwiegen hatten.
Ihr wurde wohlig warm, und sie lächelte. »Ja, ich freue mich auch, dass du dich in letzter Sekunde an Bord geschmuggelt hast.«
»Versteh mich jetzt bitte nicht falsch, aber ich genieße es wirklich, mit dir zusammen zu sein. Ich kann nicht fassen, dass wir seit drei Monaten zusammenleben und ich es erst jetzt kapiere.«
»Na ja, wir leben ja auch nicht im eigentlichen Sinne zusammen«, korrigierte sie ihn. »Und du warst … beschäftigt.«
»Die Arbeit«, ergänzte er der Klarheit halber.
Jenna lachte sehr damenhaft. »Ja, stimmt. Es sei denn, mit Arbeit meinst du Tiffany, Mandi, Sondra, Bambi …«
Nun stimmte Dave in ihr Lachen ein. »Ich kenne niemanden namens Bambi, aber ich hab’s schon begriffen.« Er wurde wieder ernster. »Dir gefallen die Frauen nicht, mit denen ich mich verabrede.«
»Es liegt nicht an den Frauen, mehr an ihrer Anzahl.« Sie seufzte, denn ihr war bewusst, dass sie mit dem, was sie sagte, alles ruinieren könnte, was gerade erst zwischen ihnen entstand. Trotzdem konnte sie sich die Frage nicht verkneifen. »Warum so viele?«
Er sah sie eine ungefähr dreistündige Minute lang an. »Die Wahrheit?«
Sie bejahte stumm und hielt den Atem an.
»Du weißt ja, dass mein Volk an Geistverwandte glaubt, daran, dass es für jeden von uns jemand Besonderen gibt, mit dem es uns bestimmt ist, in wahrer Liebe verbunden zu sein.« Er zögerte. »Tja, ich fand meine Geistverwandte vor einigen Jahren.«
Diese Nachricht traf sie wie ein Hieb an den Hinterkopf. Ihr gefiel nicht, dass er seine große Liebe bereits gefunden hatte, weil das hieß, sie könnte es niemals sein. Nicht dass sie bisher an diese Möglichkeit geglaubt hatte, ermahnte sie sich rasch.
»Ich fand sie auf dieselbe Weise, wie die meisten Geistwanderer einander finden: Sie kam im Traum zu mir«, fuhr er fort und schien ganz in der Geschichte zu versinken. »Ich war erstaunt, dass es eine Bekannte war, obwohl ich sie zur fraglichen Zeit nicht besonders gut kannte. Wie dem auch sei – wir begegneten uns in der Realität, und bald fingen wir an, zusammen auszugehen. Binnen einer Woche waren wir verlobt, und ein Jahr später fand die Hochzeit statt.«
»Du bist verheiratet?«, fragte Jenna verblüfft.
Er schüttelte den Kopf. »Sie ließ mich am Altar stehen. Mir
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