Immortal: In den Armen der Dunkelheit
sie.
Epilog
D as Schöne am Februar an der Nordküste Schottlands war, dass die Sonne kaum über den Horizont stieg, und wenn, dann nur für wenige Stunden am Tag. Diese glückliche Fügung der Natur machte Kalens Inselburg zum idealen Winterquartier für Vampire.
Ein Weinglas in der Hand, sah Leanna zu Jackson, der am anderen Ende der Bibliothek stand. Ein ahnungsloser Beobachter wäre niemals auf die Idee gekommen, dass er ein Vampir war. In den sechs Monaten, seit sie Rom verlassen hatten, war die typische Blässe verschwunden, die Menschen gemeinhin mit Vampiren verbanden. Eine Nebenwirkung von Leannas reichhaltigem Sidhe-Blut. Ihr Mann jagte nicht mehr nach menschlichem Blut.
Was Jacksons Vampirkräfte betraf, steigerte seine Magie sich tatsächlich nicht mehr in derselben erstaunlichen Geschwindigkeit wie in der Zeit seines Zölibats, aber sie wurde auch nicht gemindert. Überdies hatte Leanna entdeckt, dass sie ihm mit ihrem Blut von ihrer Musenmagie geben konnte, ohne ihm gleichzeitig Lebensessenz zu rauben. Und so wandte Jackson sich nach sehr langer Zeit wieder der Kunst zu. Jede freie Minute, die er nicht mit Leanna im Bett verbrachte, widmete er der Malerei und Bildhauerei.
Das Verblüffendste jedoch war, dass er etwas wiederfand, an das er längst nicht mehr geglaubt hatte: Glück. Er war heute wieder von demselben Humor und der Lebensfreude erfüllt, die Leanna einst in Paris an ihm fasziniert hatten. Er neckte sie und lachte viel. In ein paar Monaten, wenn die schottischen Sommertage unerträglich lang wurden, würden sie nach Süden reisen, um einen herrlich dunklen Winter in Patagonien zu verbringen. Leanna freute sich auf die Reise, denn sie hatte noch nie Pinguine in ihrer natürlichen Umgebung gesehen.
Nervös lächelte sie ihrem Mann zu, der sein Gespräch mit Kalen unterbrach – sie diskutierten gerade den Impressionismus – und ihr zugrinste. Leanna wurde wohlig warm, beinahe warm genug, um den kalten Angstknoten in ihrer Brust aufzulösen.
Beinahe.
Sie nahm einen großen Schluck von ihrem Merlot.
»Götter«, murmelte sie vor sich hin, »was ich eigentlich brauchte, wäre ein guter Whisky!«
Mac, der neben ihr stand, lachte. »Genau deshalb hat Kalen seinen Glenfiddich weggeschlossen.«
Christine und Artemis wechselten amüsierte Blicke, worauf Leanna schmollte.
»Keine Sorge!«, tröstete die allzeit harmoniespendende Christine sie. »Ich bin sicher, dass alles gut wird.«
»Gut?«, fragte Leanna ungläubig. »Gut? Wie kann es wohl gut werden?« Sie piekte Mac mit dem Finger. »Das ist eine grottenschlechte Idee! Ich fasse nicht, dass ich mich dazu überreden ließ!«
»Entspann dich, Süße!« Mac wirkte gelassen, wie er dastand, einen Arm um seine Frau gelegt, aber Leanna merkte ihm an, dass er fast so angespannt war wie sie.
»Es ist schließlich nur unsere Mutter«, meinte er trocken. »Und du musst zugeben, dass Niniane ein Recht hat, ihren einzigen Schwiegersohn kennenzulernen.«
»Sie wird in die Luft gehen«, entgegnete Leanna.
Mac grinste. »Ja, das wird sie wohl. Aber sieh es einmal von der positiven Seite: Mum wird zugeben müssen, dass Artemis nicht das Schlimmste ist, was der Familie passieren konnte. Ein Vampir ist nämlich eindeutig übler als eine geläuterte Todeshexe.«
Artemis verdrehte die Augen. »Tausend Dank, Mac!«
»Ja, ja, mach du nur Witze!«, erwiderte Leanna finster. »Das rettet dich auch nicht, wenn Niniane erst hier ist.«
Niniane mochte Leanna endlich als ihre Tochter anerkannt haben, aber sie tat es einzig deshalb, weil Mac darauf bestanden hatte. Leannas Beziehung zu ihrer Mutter konnte man bestenfalls als fragil bezeichnen. Und nachdem Leanna die Schwüre brach, die sie in Annwyn geleistet hatte, und obendrein noch einen Vampir geheiratet hatte …
Wieder schaute sie besorgt zu der Stelle hinüber, an der Artemis’ älterer Sohn Sander mit seinem kleinen Halbbruder Cameron und Christines und Kalens kleiner Tochter Ellie auf dem Boden hockte.
»Ich weiß nicht, ob es sicher ist, die Kinder hier zu haben, wenn Niniane ankommt. Vielleicht solltet ihr sie lieber in ein anderes Zimmer bringen, wo Pearl auf sie aufpasst.«
»Nein, im Grunde ist es sicherer mit ihnen«, widersprach Mac mit einem strahlenden Blick zu seinem Erstgeborenen, der bäuchlings dalag und Kalens Perserteppich nach essbaren Fusseln absuchte. »Niniane würde ihren einzigen Enkel nicht in Gefahr bringen.«
»Wo bleibt sie überhaupt? Hätte sie nicht schon hier
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