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Immortalis

Immortalis

Titel: Immortalis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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Boustanys Worten den Mann vorstellte, in dessen Gewalt sich ihre Mutter befand, musste sie zugeben, dass diese Bezeichnung vermutlich nicht allzu weit von der Wahrheit entfernt war.

39
    Der Hakim ließ sich in seinem Arbeitszimmer in den Sessel sinken, gestärkt durch neue Kraft.
    Die morgendliche Behandlung nach einem wöchentlichen Plan, an den er sich seit Jahren mit fanatischer Disziplin hielt, hatte ihm den gewohnten Auftrieb gegeben. Er genoss die frische Herbstluft und sog sie mit tiefen, gierigen Zügen in seine Lunge, während der Cocktail aus Hormonen und Steroiden durch seine Adern strömte und seine Haut wie elektrisiert kribbelte. Sein Kopf und sein Blick waren klar, seine Sinne geschärft; es schien, als verlangsame sich alles um ihn herum. Es war der beste Rausch, den er sich vorstellen konnte, zumal er dabei nicht die Kontrolle verlor – etwas, was für ihn unvorstellbar war.
    Wenn die Menschen wüssten, was ihnen da entging.
    Dazu kam, dass die Nachrichten aus Beirut vielversprechend waren. Omar und seine Leute hatten den Assistenzprofessor geschnappt. Einer von ihnen war dabei gestorben, ein zweiter schwer verletzt worden. Ihn würde man beseitigen müssen, denn die Einlieferung in ein Krankenhaus kam nicht in Frage, und für einen heimlichen Transport über die Grenze war die Verletzung zu schwer. Aber alles in allem war die Operation erfolgreich gewesen.
    Schade, dass der Amerikaner am Leben geblieben war. Langsam wurde das Interesse des Mannes zu einem Problem. Er war zu nah am Geschehen, zu … engagiert. Von Omar wusste er, dass der Amerikaner den Laptop und einen Ordner aus der Wohnung der Archäologin mitgenommen hatte. Einen Ordner. War das das übliche Verfahren in einer solchen Ermittlung, oder steckte mehr dahinter? Schön, eine amerikanische Staatsbürgerin war entführt worden, und die Amerikaner nahmen solche Dinge ernster als die meisten, aber die hartnäckige Entschlossenheit dieses Mannes ließ ahnen, dass persönliches Interesse im Spiel war.
    Das Entscheidende war jedoch: Ahnte er, worum es in Wirklichkeit ging?
    Er hatte Omar befohlen, zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Der Anruf des irakischen Händlers stand unmittelbar bevor. Bald würde das Buch ihm gehören.
    Alles sah gut aus.
    Besser als gut.
    Er spürte mit jeder Faser seines Körpers, dass er dem Ziel näher denn je gekommen war.
    Er schloss die Augen, atmete tief durch und genoss die Aussicht auf den bevorstehenden Erfolg. Seine Gedanken schwebten ungehindert dahin, und bald kamen ihm Bilder seiner Heimat in den Sinn.
    Erinnerungen.
    Daran, wie sich ihm die ungewöhnlichen Gaben der Kapelle zum ersten Mal offenbart hatten.
    Wie ihm sein einzigartiges Erbe bewusst geworden war.
     
    Natürlich war er schon öfter in der Kapelle gewesen. Er war dort in Neapel aufgewachsen, in einer Stadt, in der man den Namen seines Vorfahren nur mit gedämpfter Stimme aussprach. Aber jener Besuch im Alter von neun Jahren hatte ihm die Augen für die Geheimnisse der Vergangenheit geöffnet.
    Sein Großvater hatte ihn an jenem Tag in die Kapelle mitgenommen. Er war gern mit seinem Großvater zusammen. Der alte Mann hatte etwas Beruhigendes an sich. Schon in diesem zarten Alter brachte er – damals war sein Name Ludovico – seinem Großvater großen Respekt entgegen. Zu gern wäre er auch so stark gewesen, vor allem auf dem Spielplatz und in der Schule, wo die größeren und stärkeren Jungen ihn wegen seiner Vorfahren verspotteten.
    In Neapel hatte ein di Sangro ein schweres Kreuz zu tragen.
    Sein Großvater hatte ihn gelehrt, aufrecht und stolz zu sein und das Erbe seiner Familie zu achten. Sie waren Fürsten, bei Gott, und außerdem wurden Genies und Visionäre zu Lebzeiten oft verlacht und verfolgt. Ludovicos Vater hatte sich nicht dafür interessiert, was in der Vergangenheit geschehen war, und sich für seine Abstammung geschämt. Ludovico war anders, sein Großvater hatte es erkannt und den Jungen gefördert. Ihr Vorfahre habe viele verblüffende Erfolge erzielt, hatte er ihm erzählt. Ja, man hatte ihn als alles Mögliche bezeichnet – als Zauberer und als diabolischen Alchemisten. Viele Gerüchte besagten, er habe abscheuliche Experimente an ahnungslosen Subjekten durchgeführt. Manche behaupteten, er hätte versucht, die Methoden zur Erschaffung noch besserer Castrati zu vervollkommen, jener illegal kastrierten Sänger, die das Publikum verzauberten und die italienische Oper im siebzehnten und achtzehnten

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