Immortalis
fließen, um die Müdigkeit zu vertreiben. Der Fitnessraum der Botschaft war ein fensterloser, isolierter Zufluchtsort tief unten im Keller des Nebengebäudes, und hier in der Duschkabine fand Corben für einen Augenblick Erholung vom Blut und Schmutz des anstrengendsten Tages, den er seit seiner Stationierung in dieser unruhigen Stadt erlebt hatte.
Er hatte sich sorgfältig überlegt, was er seinen Vorgesetzten – dem CIA-Chef und dem Botschafter – sagen würde, bevor er sie auf der Fahrt zur Botschaft angerufen und informiert hatte. Faruk war von einer Kugel getroffen worden. Tödlich. Er war gestorben, bevor er ihn in ein Krankenhaus hatte bringen können. Und in diesem Augenblick hatte es nur eine Möglichkeit gegeben: Er hatte sicherstellen müssen, dass die Kidnapper nichts von Faruks Tod erfuhren. Sonst würden sie vielleicht annehmen, dass mit dem Iraker auch jede Information über den Verbleib der Antiquitäten verloren war, und dann hätten sie im Austausch für Evelyn nichts mehr anzubieten.
Er hatte die Leiche nicht in die Botschaft bringen können, da diese, formal gesehen, amerikanisches Territorium war. Der Polizei hatte er sie auch nicht übergeben können, denn diese war offensichtlich so gründlich unterwandert, dass die Entführer von Faruks Tod erfahren würden, noch ehe der Leichnam erkaltet wäre. Er musste den Toten verschwinden lassen. Wenigstens für eine Weile. Um Zeit zu schinden, damit er sich eine andere Möglichkeit ausdenken könnte, Evelyn herauszuholen.
Also war er tief in die Kiefernwälder im Osten der Stadt hineingefahren und hatte die Leiche dort abgelegt, abseits eines kleinen, selten benutzten Pfades. Wenn die Leiche irgendwann entdeckt würde, könnten Corben und die Botschaft jede Verantwortung von sich weisen: Jawohl, Corben sei mit ihm weggefahren, aber der Mann sei bei der Schießerei verwundet worden und panisch aus dem Wagen geflüchtet, als er in einem Verkehrsstau steckengeblieben sei. Eine glaubhafte Theorie wäre die, dass die Männer, die hinter ihm her waren und den Assistenzprofessor umgebracht hatten, ihn gefunden hätten. Bis dahin aber wäre wahrscheinlich schon Gras über die ganze Affäre gewachsen, und niemand würde sich den Kopf zerbrechen über das Schicksal eines illegalen Einwanderers, schon gar nicht, wenn er aus dem Irak kam.
Im Grunde hatte Corben keine andere Wahl gehabt. Es war eine schwere Entscheidung, die er an Ort und Stelle hatte treffen müssen. Doch ihm blieb nichts anderes: Entweder er räumte Faruk aus dem Weg, oder er setzte das ganze Unternehmen aufs Spiel. Aber das hatte er nicht vor. Dazu war sein eigentliches Ziel zu wichtig.
Er schüttelte die Skrupel von sich ab, und bald nahmen seine Gedanken eine produktivere Richtung. Olshansky hatte vorläufig orten können, wo sich das Handy befand, das Abu Barsan benutzte. Es war nicht, wie angenommen, im nördlichen Irak: Das Signal des Telefons bewegte sich irgendwo in der Osttürkei, nahe der syrischen Grenze. Olshansky würde noch ein bisschen Zeit brauchen, um es genauer zu lokalisieren. Er hatte Corben gesagt, er sei zuversichtlich, den Mann aufspüren zu können. Schwieriger sei es allerdings, zurückzuverfolgen, mit wem er telefoniert habe. Sein technisches Kauderwelsch über inkompatible Network-Systeme hatte Corben ausgeblendet.
Der Standort Abu Barsans überraschte Corben nicht. Ein ausländischer Käufer würde nicht riskieren, in den Irak einzureisen, um die Stücke zu übernehmen, und Mossul – wo Abu Barsan wohnte – war nicht weit von der türkischen Grenze entfernt. Corben kannte die Gegend einigermaßen. Sie war überwiegend von Kurden bewohnt, auf beiden Seiten der Grenze, ebenso Mossul. Vermutlich hatte der Käufer für die Transaktion einen Ort wie Batman, Mardin oder Diyarbakir vereinbart; alle drei verfügten über Flughäfen, die vom regionalen Luftverkehr wie auch von privaten Chartergesellschaften angeflogen wurden, und sie lagen nur wenige Autostunden von der türkisch-irakischen Grenze entfernt.
Es war eine Transaktion, die Corben nicht versäumen wollte.
Die Information, dass jemand weit mehr als nötig für Abu Barsans kleinen Schatz zahlen wollte, machte einen dicken Strich durch Corbens Pläne. Bis dahin war der Hakim sein Hauptziel gewesen – der Einzige, von dem er wusste, dass er seinen Traum mit skrupelloser Hemmungslosigkeit verfolgte. Aber dieser mysteriöse Käufer erschien ihm jetzt mindestens so interessant wie der Hakim. Irgendwie war es
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