Immortalis
reichte er Corben das Handy. Es war klebrig von Faruks Blut.
«Ich kann Ihren Kunden nicht überbieten», sagte Corben, «aber es wäre nett, wenn Sie mein Angebot noch einmal in Erwägung ziehen könnten.»
«Es tut mir leid, mein Freund», gluckste Abu Barsan. «Ich weiß, dass mein Kunde echt ist, ich weiß, dass ich morgen Abend mein Geld habe und dass ich als sehr reicher Mann nach Mossul zurückfahren werde. Über Sie weiß ich nichts. Sie haben doch ein Sprichwort in Ihrer Sprache, oder? Irgendetwas mit dem Spatz und der Taube?»
«Ich möchte nur, dass Sie noch einmal nachdenken», sagte Corben gelassen. «Es geht nicht nur um Geld. Ich arbeite für die amerikanische Regierung, und ich kann mir an Ihrer Stelle Schlimmeres vorstellen, als dass wir Ihnen einen Riesengefallen schuldig sind. So, wie die Dinge im Irak sich entwickeln, werden wir noch eine ganze Weile dort sein. Und es könnte sein, dass Sie es eines Tages ganz nützlich finden, einen Freund im System zu haben. Wenn Sie verstehen, was ich meine.»
Abu Barsan schwieg einen Moment lang. Als er wieder sprach, war der leichte Spott aus seinem Tonfall verschwunden. Eisige Verachtung war an seine Stelle getreten. «Sie glauben, wenn Sie mir erzählen, Sie arbeiten für die amerikanische Regierung, dann helfe ich Ihnen? Weil Sie im Irak etwas für mich tun können?»
Seine politische Einstellung war jetzt klar. «Wenn wir Ihnen etwas schulden, ist es auf jeden Fall besser, als wenn wir sauer auf Sie sind», erwiderte Corben kühl, aber er wusste, es würde nicht klappen.
«Jetzt wollen Sie mir drohen?», fauchte Abu Barsan, und dann folgte ein Schwall von einfallsreichen Beschimpfungen. Er war bei seinem zweiten Fuck you , als Corben die Verbindung abbrach.
Faruk starrte ihn mit runden, ratlosen Augen an. «Was hat er gesagt?»
Corben schüttelte kurz den Kopf. «Er ist nicht interessiert.»
Faruk seufzte tief. «Dann haben Sie nichts, was Sie gegen Sitt Evelyn eintauschen können.»
Das stimmte. Aber er wusste, wer das Buch hatte. Und er hatte seine Telefonnummer. Abu Barsan hatte Faruk erzählt, er sei unterwegs, um seine Ware abzuliefern, und er hatte gesagt, «morgen Abend» werde er sein Geld haben. Damit hatte Corben etwas mehr als vierundzwanzig Stunden Zeit, ihn aufzuspüren. Wenn Abu Barsan unterwegs war und mit seinem Käufer in Verbindung bleiben musste, hatte er wahrscheinlich keine Zeit, sein Telefon zu wechseln, und er würde es wohl auch nicht riskieren. Corben war ziemlich zuversichtlich, dass Olshansky seine Position orten würde.
Wenn er es recht bedachte, war die ganze Sache eigentlich gar nicht so schlecht gelaufen. Schön, die Entdeckung, dass noch ein weiterer Interessent die Finger im Spiel hatte, machte die Sache komplizierter. Andererseits kam auf diese Weise vermutlich auch jemand ans Licht, den Corben ebenso dringend finden wollte – jemand, der sich lange erfolgreich im Schatten verborgen gehalten hatte, bevor Corben überhaupt von dem Fall erfahren hatte. Und das war an sich schon eine willkommene Entwicklung.
Damit blieb Faruk.
Der immer noch dasaß und ächzte und stöhnte und Corbens Botschaftsfahrzeug vollblutete.
Corben kannte solche Verletzungen. In Filmen sagte man Leuten, die angeschossen worden waren, es sei ein Glück, dass es «nur» eine Fleischwunde sei, und ein paar Tage später sprangen sie dann wieder herum, und nur noch ein großer weißer Verband ließ erkennen, was passiert war. Die Realität sah anders aus. Die meisten Schussverletzungen erforderten stationäre Behandlung und Infusionen. Es kam leicht und oft zu Infektionen. Eine Wunde, wie Faruk sie davongetragen hatte, würde ihm im günstigsten Fall einen Monat Krankenhausaufenthalt einbringen.
Und das war ein Problem.
Wie er Faruk schon gesagt hatte, wäre dieser in einem Krankenhaus nicht sicher – nicht vor den Killern, die offenbar gute Kontakte zur libanesischen Polizei hatten. Wenn wirklich der Hakim dahintersteckte, durfte er um keinen Preis erfahren, dass Faruk angeschossen worden war. Selbst wenn er Faruk nicht sofort in seine Gewalt brachte, würde er herausfinden, was Corben jetzt wusste, und jeder Vorteil, den Corben ihm gegenüber hatte, wäre verloren.
Wenn der Fall bekannt würde, würden die Agenten der Fuhud eingeschaltet werden. Der CIA-Stationschef in der Botschaft. Die Presse wahrscheinlich auch. Jede seiner Aktionen, jede Entscheidung, die er träfe oder treffen wollte, würde unter dem Mikroskop untersucht werden.
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