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Immortalis

Immortalis

Titel: Immortalis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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Bauchgefühl und Tatsachen leicht voneinander abweichen.
    Der Wagen fuhr langsamer und kam dann zum Stehen. In der engen, einspurigen Straße staute sich der Verkehr. Mia wandte sich an Corben. «Sie glauben doch nicht ernsthaft, sie könnte mit gestohlenen Antiquitäten gehandelt haben?»
    Er sah ihr direkt in die Augen. «Wenn ich es recht verstanden habe, waren sie speziell hinter ihr her, und wenn sie nicht die Erste in einer gegen Ausländer gerichteten Kampagne ist – was nach Angaben unseres Geheimdienstes äußerst unwahrscheinlich ist –, dann ist das unser einziger Anhaltspunkt.»
    Mias Mut sank, als sie seine Worte verdaute. Corben sah sie nachdenklich an. «Hören Sie, es kommt nicht darauf an, wer sie entführt hat. Tatsache ist, jemand hat sie, jemand hat eine amerikanische Staatsbürgerin von der Straße weg gekidnappt, und der Grund dafür ist nur wichtig, wenn er uns hilft, sie wiederzufinden. Denn darum geht es uns, nur darum. Um alles andere können wir uns später kümmern.» Seine Stimme bekam einen beruhigenden Unterton.
    Mia brachte ein halbes Lächeln zustande. Sie nickte dankbar.
    «Ich weiß, Sie sind müde», fuhr er fort. «Ich weiß, wahrscheinlich brennen Sie darauf, nach Hause zu kommen und unter die Dusche zu gehen und das ganze Erlebnis von sich abzuwaschen. Aber ich muss wirklich mit Ihnen über das reden, was gestern Abend vorgefallen ist. Sie waren dabei. Was Sie mir erzählen können, könnte uns entscheidend dabei helfen, Ihre Mutter zu finden. In solchen Situationen arbeitet die Zeit immer gegen uns. Glauben Sie, Sie könnten das schaffen?»
    «Hundertprozentig», sie nickte.

15
    Ein stechender, bitterer Geruch riss Evelyn ins Bewusstsein zurück.
    Sie fuhr hoch und schüttelte sich, um ihn zu vertreiben. Sie öffnete die Augen, und sofort blendete sie das grelle Neonlicht im Raum. Es schien von allen Seiten zu kommen, ganz so, als säße sie in einem weißen Kasten. Sie kniff die Augen wieder zu.
    Langsam ließ die Benommenheit nach. Sie steckte nicht mehr im Kofferraum, sondern saß auf einem harten Stahlrohrstuhl. Als sie ihre Position verändern wollte, spürte sie einen brennenden Schmerz an Hand- und Fußgelenken. Sie wollte sich bewegen, aber es ging nicht. Sie begriff, dass sie an den Stuhl gefesselt war.
    Etwas rührte sich in ihrer Nähe, und misstrauisch öffnete sie die Augen. Dicht vor ihrem Gesicht wich eine schemenhafte Hand zurück. Die Finger hielten etwas, irgendein kleines Röhrchen. Als ihr Blick sich schärfte, erkannte sie, dass es eine Kapsel war. Vermutlich enthielt sie Riechsalz. Es drang ihr in die Nase, als ihr Blick der Hand folgte. Ein Mann stand vor ihr und sah sie an.
    Das Erste, was Evelyn auffiel, waren seine Augen. Sie waren ungewöhnlich blau und absolut gefühllos. Das Wort «arktisch» kam ihr in den Sinn. Sie waren auf sie gerichtet, musterten sie mit unpersönlicher Neugier und nahmen wachsam jede Regung ihres Körpers in sich auf.
    Und sie zuckten nicht mit der Wimper.
    Sie schätzte den Mann auf etwa fünfzig Jahre. Er hatte ein gutaussehendes, markantes Gesicht. Seine Züge – Stirn, Wangenknochen, Kinn und Nase – waren ausgeprägt, adlerhaft und doch fein gemeißelt. Seine leicht gebräunte Haut hatte einen satten Goldton. Das volle, wellige Haar war graumeliert und ölig zurückgekämmt, und er war groß – mindestens eins achtzig. Aber das Auffallendste an ihm, dachte sie, war seine Schlankheit. Er war nicht mager, sondern einfach nur dünn, was seine Größe noch betonte. Offensichtlich gab er auf sich acht und hielt seinen Appetit im Zaum, was ihn aber nicht zu schwächen schien. Seine Haltung strahlte Selbstbewusstsein und Macht aus, und seine kalten Augen ließen ein kompromissloses Wesen ahnen, das sie beunruhigend fand.
    Ihr Instinkt sagte ihr, dass er kein Araber war. Sein Akzent bestätigte es, als er schließlich sprach. Nicht mit ihr, sondern mit jemandem hinter ihr, den sie noch nicht bemerkt hatte.
    «Geben Sie ihr einen Schluck Wasser», befahl er ruhig. Das Arabische war eindeutig nicht seine Muttersprache, aber seltsamerweise hatte es einen irakischen Akzent.
    Ein zweiter Mann erschien neben ihr und hielt ihr eine Flasche mit kaltem Mineralwasser an die Lippen. Sein dunkles Gesicht wirkte verschlossen, und sein Blick war ebenso leblos wie der der Männer, die sie in Beirut verschleppt hatten. Anscheinend verfügte ihr Entführer über eine private Greifertruppe. Sie schob den Gedanken beiseite und trank dankbar

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