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Immortalis

Immortalis

Titel: Immortalis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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die Lippen. «Zuerst wollen wir sehen, wie wir uns vertragen», sagte er und schaute sie an, während er mit zwei Fingern auf ihre Armbeuge klopfte und eine Vene hervortreten ließ.

16
    Das Hotel war nicht weit vom Polizeirevier entfernt, und so lag es nahe, sich dort zu unterhalten.
    Die Bar – nein, die Lounge – war um diese Zeit völlig leer. Mia lotste Corben mit Absicht weg von der Ecke, in der sie am Abend zuvor mit Evelyn gesessen hatte, und führte ihn stattdessen hinaus auf die Terrasse. Der Oktober war ein milder, angenehmer Monat in Beirut; es war nicht stickig heiß wie im Hochsommer und noch zu früh für den Winterregen. Perfekt für eine Plauderei im Straßencafé. Weniger perfekt, wenn diese Plauderei bedeutete, dass man den traumatischsten Abend seines Lebens noch einmal durchleben sollte.
    Sie schilderte Corben die Ereignisse bis zur Entführung, angefangen mit Evelyns Geistesabwesenheit und der Verabredung, die sie erwähnt hatte. Sie hatte gesagt, es sei ein Treffen mit jemandem, den sie von früher kannte, einem irakischen Faktotum, mit dem sie vor vielen Jahren zusammengearbeitet habe. Der Mann habe sie «aus heiterem Himmel» aufgesucht, und alles sei «kompliziert». Ein Schauer des Unbehagens überlief sie, als sie von dem pockennarbigen Androiden an der Bar erzählte. Allmählich klärten sich ihre verwirrten Gedanken wieder. Sie erinnerte sich an den Mann, den sie zusammen mit Evelyn gesehen hatte, und fragte sich laut, ob es sich dabei um das irakische Faktotum gehandelt haben könnte.
    Corben hörte ihr sehr konzentriert zu und achtete auf jede Nuance in ihrer Geschichte. Er kritzelte ein paar Notizen in ein kleines schwarzes Buch. Ein paarmal unterbrach er sie und fragte nach Details, an die sie sich zu ihrer eigenen Überraschung erinnerte. Die Eindrücke, die sich in ihr Gedächtnis gebrannt hatten – das Gesicht des Androiden, der Kühler des BMW, der Mann, mit dem Evelyn sich getroffen hatte –, das alles erschien ihr nicht wichtig genug. Wenn einer der Gangster eine hässliche Narbe auf der Wange oder einen Haken anstelle der Hand gehabt hätte – dann vielleicht. Aber nichts hatte diese Kerle von allen anderen Leuten unterschieden, nicht in dieser Stadt. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie diese Erinnerungsbruchstücke Corben weiterhelfen sollten. Niedergeschlagen sah sie, wie die Chance, dass er ihre Mutter unversehrt zurückbrachte, hinter immer dunkleren Wolken verschwand.
    Sie erzählte, dass Evelyn ihr Handy vergessen hatte. Plötzlich fiel ihr ein, dass sie ihr eigenes Telefon auch nicht zurückbekommen hatte. Sie erinnerte sich an den merkwürdigen Anruf auf Evelyns Handy im Vernehmungsraum der Polizei, den Baumhoff entgegengenommen hatte. Diese Episode weckte Corbens besonderes Interesse, und sie musste ihm so detailliert, wie sie nur konnte, berichten, was sie gehört und beobachtet hatte. Er wollte ihr Handy zurückholen und sich auch Evelyns Telefon aushändigen lassen, dann würde er mit Baumhoff über das Telefonat sprechen. Es schien wichtig zu sein, und das hellte ihre Stimmung wieder ein wenig auf.
    Corben fragte sie auch nach den Polaroids, und sie wiederholte, was sie schon Baumhoff und den Polizisten gesagt hatte: Sie habe sie nie gesehen und Evelyn habe sie ihr auch nicht gezeigt. Der letzte Teil ihrer Geschichte – das Auftauchen der Soldaten, die Schießerei, der BMW – war schmerzhaft für sie. Corben zeigte sich geduldig, und sein einfühlsamer Blick gab ihr die nötige Unterstützung und half ihr, den Bericht zu Ende zu bringen.
    Offenbar waren ihre Schilderungen nicht eben beruhigend. Er schaute sich um und spähte prüfend an der Rückwand des Hotels über der Terrasse hinauf.
    Mia sah sein besorgtes Stirnrunzeln. «Was ist denn?»
    Corben wog seine Worte sorgfältig ab. «Ich möchte, dass Sie in ein anderes Hotel ziehen.»
    «Warum?»
    «Ich glaube, wir müssen ein paar Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Für alle Fälle.»
    «Für welche Fälle?»
    Er sah aus, als wollte er lieber nicht darauf antworten, aber er konnte es ihr nicht verschweigen. Langsam und ruhig sagte er: «Der Kerl an der Bar hat sie zusammen gesehen. Dann tauchen Sie in der Gasse auf und kommen ihnen bei ihrem Plan in die Quere. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass sie auch hinter dem Bekannten Evelyns her waren, denn sonst hätten sie sich nicht die Mühe gemacht, ihn zu ergreifen. Nach dem, was Sie mir erzählt haben, konnte er anscheinend entkommen. In diesem Fall

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