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Immortalis

Immortalis

Titel: Immortalis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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ein paar Schlucke, bevor der finstere Mann zurückwich und wie ein Geist wieder verschwand.
    Der Mann mit den kleinen Augen ging zu einem niedrigen Schrank an der Wand und öffnete eine Schublade. Was er tat, konnte sie nicht sehen, aber es hörte sich an, als reiße er eine Plastikpackung auf. Mit wachsender Furcht ließ sie den Blick durch den Raum wandern. Er war fensterlos und ringsherum in einem harten Acrylweiß gestrichen. Der hochglänzende weiße Schubladenschrank reichte über die ganze Länge der Wand. Der gesamte Raum war makellos gepflegt und penibel zweckmäßig eingerichtet – von brutaler Effizienz, dachte Evelyn plötzlich. Ein Spiegelbild seines Besitzers.
    Und ein paar weitere beunruhigende Gedanken kamen ihr in den Sinn.
    Der Erste war: Ihre Augen waren nicht mehr verbunden. Ihre Entführer in Beirut – nun, da war die Sache klar: Sie konnten nicht mit vermummten Gesichtern durch die belebten Innenstadtarkaden schlendern. Aber hier … hier war es anders. Und er war kein bezahlter Kidnapper. Dieser Mann hatte offensichtlich das Kommando. Und dass er nicht vermied, ihr sein Gesicht zu zeigen, ließ nichts Gutes ahnen.
    Das Nächste war seine Kleidung. Er trug ein Sporthemd und khakifarbene Chinos unter einem dunkelblauen Blazer. Aber das war nicht das Problem. Das Problem war der weiße Arztkittel, den er darüber trug. In einem weißen Raum. Mit einer langgestreckten Reihe von weißen Schubladenschränken. Und – sie hob den Kopf – mit einer hellen Beleuchtung, wie man sie normalerweise in einem OP fand.
    Evelyn schluckte angestrengt.
    Sie wagte nicht, sich umzudrehen, um den Rest des Raumes zu sehen, aber ihre Phantasie ergänzte die chirurgischen Gerätschaften, die sie hinter sich vermutete.
    «Warum hat er Sie aufgesucht?», fragte der Mann, ohne sich umzuschauen. Sein Englisch hatte einen europäischen Einschlag. Wenn sie hätte raten sollen, hätte sie auf Italienisch getippt, vielleicht Griechisch. Aber im Moment hatte sie dringendere Sorgen.
    Ihr Instinkt drängte sie, ihn zu fragen, wer zum Teufel er sei und wieso er eine Bande mörderischer Gorillas beauftragte, sie auf offener Straße zu entführen, in einen Kofferraum zu sperren und herzubringen, aber sie hielt ihre Empörung zurück. Im Schnelldurchlauf ließ sie sich noch einmal die Ereignisse durch den Kopf gehen, die sie hierhergeführt hatten. Sie wusste, dass es etwas mit Faruk zu tun haben musste, mit ihm und seinem ermordeten Freund. Mit den antiken Stücken aus dem Irak. Und wenn sie sich recht erinnerte, auch mit dem Uroboros. Und das bedeutete, dass der Mann im Laborkittel wahrscheinlich genau wusste, worauf er es abgesehen hatte. Ihn zu verärgern, wäre deshalb eine dumme Entscheidung.
    «Warum bin ich hier?»
    Er drehte sich zu ihr um. In seiner Hand hielt er eine Injektionsspritze und einen Gummiriemen. Er nickte dem Mann hinter ihr zu. Der zog einen Stuhl und einen kleinen Tisch heran und schob beides vor Evelyn. Der Mann im Arztkittel setzte sich und legte in aller Ruhe die Spritze und den Riemen auf den Tisch. Dann wandte er sich ihr zu, streckte gelassen die Hand aus und umfasste Evelyns Kiefer. Seine Finger umklammerten ihr Gesicht hart und schmerzhaft, aber er schaute sie unbewegt an. Seine Stimme blieb unbeirrt. «Wenn wir uns verstehen sollen», sagte er, «müssen wir uns an ein paar Grundregeln halten. Regel Nummer eins: Beantworten Sie niemals eine Frage mit einer Gegenfrage. Verstanden?»
    Er schaute ihr unverwandt in die Augen, bis sie nickte. Dann ließ er sie los. Ein leises Lächeln trat auf seine schmalen Lippen.
    «Also», fuhr er fort, «und ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn ich mich nicht noch einmal wiederholen müsste: Warum genau hat er Sie aufgesucht?»
    Evelyn bekam eine Gänsehaut, als er sich herüberbeugte und ihren Ärmel hochkrempelte. Sie roch einen Hauch seines Rasierwassers. Es roch nicht übel.
    «Ich nehme an, Sie meinen Faruk.» Sie sagte es so, dass es nicht wie eine Frage klang.
    Ein Lächeln huschte über die Lippen des Mannes. In einem so gut aussehenden Gesicht wirkte es überraschend bedrohlich. «Diesmal lasse ich es Ihnen durchgehen.» Er schob ihren Ärmel zurecht. «Jawohl, ich meine Faruk.»
    Sie musterte ihn und wusste nicht recht, wo sie anfangen sollte. «Er brauchte Geld. Er wollte ein paar Antiquitäten aus dem Irak verkaufen. Mesopotamische Stücke.» Sie zögerte und fügte dann zaghaft hinzu: «Darf ich jetzt doch Fragen stellen?»
    Nachdenklich schürzte er

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