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Immortalis

Immortalis

Titel: Immortalis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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flüchtigen Blick in die Wohnung, und was sie sah, nahm sie kaum zur Kenntnis. Es gab aber auch wenig zur Kenntnis zu nehmen. Die Einrichtung war karg, und das wenige, das da war, hatte den typischen Junggesellen-Look: dunkles Leder und Chrom. Alles schien aus einem bestimmten Grund vorhanden zu sein, es gab keinen überflüssigen Zierrat. Sie vermutete, dass Männer wie Corben, Männer mit seinem Beruf, stets ohne großes Gepäck lebten und reisten. Es war schließlich nicht anzunehmen, dass er Erinnerungsstücke an seine liebsten Regimewechsel auf seinen Regalen aufstellte oder Fotoalben mit Bildern von Infiltrationen und Informanten auf den Couchtisch legte.
    Sie warf das Sandwichpapier in den Mülleimer, wusch sich die Hände und lehnte sich an die Küchentheke. Ihr Hunger war zwar gestillt, aber sie fühlte sich immer noch grässlich. Der Adrenalinrausch verebbte, und eine übermächtige Erschöpfung setzte ein. Ihre Knie wurden wacklig, und sie schloss für einen Moment die Augen, um die Müdigkeit niederzukämpfen. Sie ließ Wasser in ein großes Glas laufen, trank es auf einen Zug aus und ging ins Wohnzimmer. Dort rollte sie sich auf dem Sofa zusammen.
    Innerhalb von Sekunden schaltete sich ihr Körper ab, und sie versank in einen traumlosen Schlaf.

24
    Der Erhalt der Botschaft in Beirut hatte dem Außenministerium mehr als dreißig Jahre lang beträchtliche Kopfschmerzen verursacht. Auch wenn der Schmerz in letzter Zeit ein wenig nachgelassen hatte, wusste doch jeder, der dort arbeitete, dass die Atempause nur von kurzer Dauer sein würde.
    Das alte Haus an der verkehrsreichen Küstenstraße hatte Mitte der siebziger Jahre durch ein eigens errichtetes Gebäude ersetzt werden sollen. Doch der Bürgerkrieg, der 1975 ausbrach, vereitelte diesen Plan. Dann wurde Botschafter Francis E. Meloy 1976 entführt und ermordet, als er sich über die Grüne Linie fahren ließ, und als ein Jahr später die Kämpfe abflauten, war die Stadt schon unter den vielen rivalisierenden Gruppen aufgeteilt worden, und das Gelände, auf dem die neue US-Botschaft erbaut werden sollte, galt jetzt als zu unsicher für Amerikaner. Also wurde das Projekt zu den Akten gelegt, und das unvollendete Betongerippe blieb einfach dort stehen.
    Das Botschaftspersonal arbeitete unverzagt weiter im alten Gebäude, bis ein Selbstmordattentäter mit einer Autobombe im April 1983 die vordere Hälfte in Trümmer legte. Es war der erste von vielen verheerenden Angriffen auf amerikanische Einrichtungen überall auf der Welt. Neunundvierzig Botschaftsmitarbeiter kamen ums Leben, darunter acht CIA-Agenten, einer von ihnen war Robert Ames gewesen, CIA-Direktor für den Nahen Osten. Diese Verluste bedeuteten das Ende der Einsatzfähigkeit des Geheimdienstes in diesem Land und bereiteten den Weg für eine Serie von öffentlichkeitswirksamen Entführungen. Es dauerte Jahre, bis eine neue Präsenz aufgebaut war – und dann wurden fünf Agenten, nämlich das Team, das gerade erst begonnen hatte, sich durch den Wirrwarr des Libanon in den achtziger Jahren zu wühlen, 1988 über dem schottischen Lockerbie vom Himmel gebombt.
    Was von der diplomatischen Gesandtschaft noch übrig war, hatte ein Notquartier in der nahen britischen Botschaft bezogen, in einem siebenstöckigen Apartmentgebäude, das vom Boden bis zum Dach hinter dem bizarren Schleier eines schweren, zeltartigen Raketenabwehrnetzes verborgen war. Nach einigen Monaten voller Anspannung folgte der Umzug in zwei Villen in Awkar in den dichtbewaldeten Bergen am Nordrand der Stadt. Die Gegend stand zwar unter christlicher Kontrolle, aber sicherer war sie deshalb nicht. Im folgenden Jahr explodierte wieder eine Autobombe auf dem Gelände: elf Todesopfer. Das Außenministerium warf das Handtuch und schloss die Botschaft für zwei Jahre, aber als die Kämpfe in den frühen neunziger Jahren endlich nachließen, kehrte das Personal nach Awkar zurück und wartete dort auf den Bau eines neuen, stark befestigten Botschaftsgebäudes östlich der Stadt, in der Nähe des Verteidigungsministeriums. Aber dieses Projekt war noch nicht verwirklicht.
    Corben war geradewegs nach Awkar gefahren, nachdem er Mia in sein Apartment gebracht hatte.
    Er meldete sich kurz bei seinen Kollegen im ersten Stock des Konsulatsanbaus. Der CIA-Stationschef, Len Hayflick, und die vier anderen Agenten des Beiruter Teams hatten hier ihre Büros. Sie hatten alle Hände voll zu tun. Da war das Tagesgeschäft, zum Beispiel die Suche nach Imad

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