Immortalis
Mugnijah. Er galt als Verantwortlicher hinter dem Attentat, bei dem 1983 eine in einem Lastwagen versteckte Bombe in der Garnison der US-Marines explodiert war und 241 Soldaten getötet hatte. Zudem mussten aufstrebende militante Gruppen wie die Fatah al-Islam überwacht werden. Die Bishop-Entführung erforderte schnelles Handeln, und Corben hatte gleich zugegriffen und den Auftrag an sich gerissen, als Baumhoff ihm die Polaroid-Fotos gezeigt hatte.
Corben verbrachte den Nachmittag in seinem Büro am Telefon und vor dem Computer mit den Datenbanken. Es gab nichts Neues über die Entführung. Niemand hatte angerufen, niemand hatte die Verantwortung übernommen, niemand hatte ein Lösegeld gefordert. Er war nicht überrascht, aber er rechnete doch immer noch damit, dass irgendeine Splittergruppe die Täterschaft beanspruchte, um damit ihre Forderungen durchzusetzen. Die USA konnten in dieser Region hart zuschlagen, aber sie konnten auch große Gefälligkeiten erweisen, wenn jemand sie verdiente oder sie erzwang. Doch niemand hatte bisher eine Gefälligkeit verlangt.
Er telefonierte noch einmal mit dem Fuhud-Agenten, mit dem er schon kurz gesprochen hatte, während Mia im Hotel ihre Sachen packte, und erfuhr, dass der Tote in Evelyns Apartment keine Papiere oder andere Hinweise auf seine Identität bei sich gehabt hatte. Am nächsten Tag würden sie sein Foto in der Presse veröffentlichen, aber Corben nahm nicht an, dass jemand Anspruch auf den Leichnam erheben würde. Er rief noch zwei andere Kontaktleute beim libanesischen Geheimdienst an und horchte sie aus, ohne selbst mehr preiszugeben, als dass er eine entführte amerikanische Staatsbürgerin suche. Es gab nichts Neues, keine Hinweise in die eine oder andere Richtung.
Er ließ sich von Baumhoff Evelyns Handy geben und sah die Liste der eingegangenen Anrufe durch. Der letzte Anrufer hatte seine Nummer unterdrückt. Seither hatte niemand mehr angerufen. Evelyn hatte in den letzten paar Tagen ein paar örtliche Nummern gewählt, allesamt uninteressant, aber ihr letzter Anruf weckte sofort sein Interesse. Eine Nummer in den USA. Rhode Island.
Er erinnerte sich an die Visitenkarte, die auf dem aufgeschlagenen Terminplaner auf ihrem Schreibtisch gelegen hatte, und zog sie heraus. Die Telefonnummern waren identisch. Tom Webster im Haldane Institute für Archäologie der Antike. Corben griff schon zum Hörer, da fiel ihm ein, dass es an der Ostküste noch zu früh war. Um diese Zeit würde dort kaum jemand zu erreichen sein. Also ging er auf die Website des Instituts. Er erfuhr, dass es sich um ein privat finanziertes, der Brown University angegliedertes Forschungszentrum handelte, das sich mit dem Studium und der Förderung der Archäologie der Antike am Mittelmeer, in Ägypten und in Vorderasien befasste. Aber in der Personalliste war niemand namens Webster aufgeführt. Er kritzelte «Tom Webster», «Haldane, Brown U» und «privat finanziert» in sein Notizbuch und nahm sich vor, später dort anzurufen.
Dann ging er mit Evelyns Handy hinüber in die Kommunikationsabteilung und bat den obersten Computerfreak, Technical Operations Officer Jake Olshansky, den letzten Anrufer ausfindig zu machen. Außerdem forderte er eine Liste der ein- und ausgehenden Anrufe aus den letzten zwei Wochen an und fragte den jungen Techniker, ob er die gleiche Liste auch für Evelyns Festnetzanschluss zu Hause beschaffen könne, vorausgesetzt, sie besaß einen. Von Baumhoff ließ er sich Mias Handy geben und überprüfte es, aber ihm fiel dabei nichts weiter ins Auge. Er beauftragte Olshansky, die Anruflisten von der SIM-Karte zu kopieren, und nahm sich vor, das Telefon später mitzunehmen, um es ihr zurückzugeben. Und schließlich überließ er ihm Evelyns Laptop. Er hatte versucht, ihn einzuschalten, war aber an der Passwort-Anfrage gescheitert. Olshansky würde keine große Mühe haben, damit fertig zu werden.
Zurück in seinem Büro, wandte er sich Evelyns Terminkalender zu. Er quoll über von Visitenkarten und Notizen – Zeugen eines geschäftigen, aktiven Lebens. Bei der ersten Durchsicht konnte er nichts Brauchbares entdecken. Die Kalendereintragungen der letzten Woche und vor allem der beiden vergangenen Tage zeigten keine Spur von dem plötzlich aufgetauchten mysteriösen Mann aus Evelyns Vergangenheit. Er legte den Planer beiseite, um ihn sich später noch einmal vorzunehmen. Er brauchte mehr Zeit, um ihn gründlich zu durchforsten.
Er rief Evelyns und Mias Profile auf,
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