Immortalis
verlorenen Liebe und ließ sie noch einmal Revue passieren. Webster war mit klinischer Effizienz in ihr Leben hineingestoßen und wieder verschwunden. Der Fund hatte nirgends hingeführt, das hatte er sie zumindest glauben lassen. Aber was hatte er wirklich entdeckt? Was hatte er ihr vorenthalten? Er hatte sich verdrückt und sie mit betäubendem Gefasel abgespeist: Aus Gründen, die er ihr nicht erklären könne, könne er nicht mit ihr zusammen sein.
Déjà-vu.
Etwas Ähnliches hatte er schon einmal gehört. Genauer gesagt, gelesen.
Vor vielen Jahren. Zu Hause in Italien.
In Neapel.
Ja, natürlich, er wusste, dass manche Männer so etwas sagten. Wenn sie das Interesse verloren, wenn sie sich neuen Eroberungen zuwenden wollten. «Dating für Dummys», Kapitel eins: «Er ist einfach nicht scharf genug auf dich.» Normalerweise hätte er zynisch und angeödet gelächelt.
Aber diesmal nicht. Diesmal fühlte es sich anders an.
Es passte. Die Vorstellung, dass dieser Tom Webster tatsächlich zu etwas gehörte, von dem er nicht einmal sicher war, dass es existierte, an das er aber gegen alle Vernunft verbissen glauben wollte … Er lächelte innerlich.
Es ist real. Wie ich es immer vermutet habe.
Der Principe hatte recht .
Eine Woge des Hochgefühls durchströmte ihn, begleitet von seinem Zorn darüber, wie das Schicksal seine Karten verteilte. Evelyn hatte die Kammern 1977 entdeckt und das Land drei Jahre später verlassen. Er war zwei Jahre danach in den Irak gekommen.
Er verfluchte sein Geschick.
Wäre er zur Zeit der Entdeckung des Gewölbes im Lande gewesen, hätte er vielleicht damals schon davon gehört. Vielleicht hätte er diesen Tom Webster kennengelernt. Und vielleicht besäße er jetzt, wonach er suchte.
Schlechtes Timing. Zur falschen Zeit am richtigen Ort. Aber möglicherweise war dies die Chance, den Fehler zu berichtigen.
Er musste Webster finden. Evelyn hatte eine Telefonnummer in ihrem Planer in der Wohnung. Omar und seine Leute hätten ihn holen sollen, aber das Unternehmen war gestört worden. Er würde ein paar ernste Worte reden müssen. Webster wollte wahrscheinlich nicht gefunden werden. Sicher hatte er seine Spuren verwischt.
Außerdem musste er diesen schmierigen Antiquitätenhändler in die Finger bekommen. Er brauchte das Buch, es konnte der Schlüssel zu allem sein. Aber diese Frau und ihre Geschichte – ein Geschenk des Himmels. Nicht, dass er tatsächlich an solche Albernheiten glaubte.
Aber es gab Schwierigkeiten, die er noch nicht gut genug verstand. Die Tochter der Frau zum Beispiel. Sie hatte ihr Leben riskiert, indem sie seinen Männern in die Quere gekommen war, und sie hatte dem Antiquitätenhändler die Flucht ermöglicht. Dann war da dieser Mann, der mit ihr in der Wohnung der Archäologin gewesen war. Der Hakim hatte Omar und seine Männer beauftragt, dort hinzugehen und ihm alles zu bringen, was von Interesse sein konnte, und vor allem alles, was das Zeichen der Schlange trug. Die Tochter war ebenfalls dort gewesen, und nicht nur das, der Mann, der sie begleitet hatte, war offensichtlich ein Profi. Ein gutausgebildeter Kämpfer, der Omar ausgetrickst und einen seiner Männer getötet hatte. Nach dem, was Omar ihm berichtet hatte, handelte es sich um einen Amerikaner. Wer war er, und was hatte er dort mit ihr gesucht? War er ein neuer Spieler in diesem Spiel, noch einer? War er auch einer von ihnen? Oder war er aus anderen Gründen da gewesen, ohne zu wissen, worum es wirklich ging?
Der Hakim versuchte, sein Hochgefühl zu zügeln. Er hatte so lange gewartet, so große Anstrengungen unternommen. Sein ganzes Leben hatte er dieser Suche geweiht. Und jetzt, das spürte er mit zunehmender Gewissheit, fügte sich alles zusammen.
Endlich.
Er musste wissen, wer diese Leute waren.
Aber einstweilen musste er auf der Hut sein.
Er würde seine Kontakte nutzen, um Webster zu überprüfen, aber vermutlich würde es schwierig werden, den Mann aufzuspüren. Omar würde seine Verbindungsleute bei der libanesischen Polizei und beim Nachrichtendienst anrufen und sehen, was er über den Amerikaner in Erfahrung bringen konnte. Und vor allem musste er den Antiquitätenhändler finden. Düster begriff er, dass die Suche vielleicht erfolglos bleiben würde. An dieser Front hatte Omar wirklich komplett versagt, aber der Hakim wusste, dass sein Mann alles tun würde, um seinen Fehler wiedergutzumachen.
Seine Zuversicht wuchs, als ihm inmitten der vielen Fragen eine Erkenntnis
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