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Immortalis

Immortalis

Titel: Immortalis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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hatte er eine andere Idee. Er griff zu seinem Telefon und drückte eine Kurzwahltaste. Dann stand er auf und ging zur Balkontür. Mia hörte, wie er jemanden bat, im Nummernverzeichnis von Evelyns Handy nach «Rames» zu suchen. Er wartete kurz, sagte schließlich: «Moment», und kam zum Tisch zurück. Er kritzelte eine Nummer in sein Notizbuch, bedankte sich knapp und wählte sofort wieder. Mia hörte, dass es klingelte, aber niemand meldete sich. Corben ließ es eine Weile klingeln – in Beirut hatten Handys ärgerlicherweise nur selten eine Mailbox – und legte das Telefon schließlich frustriert aus der Hand. «Er nimmt nicht ab», sagte er zu Mia.
    «Sie glauben doch nicht, er wurde auch …?» Sie zögerte, ihre Frage auszusprechen.
    Beunruhigt sah sie, dass er ihre Vermutung nicht auf der Stelle von der Hand wies. «Nein, ich glaube, dann hätte ich etwas davon gehört. Wahrscheinlich hat er nur keine Lust mehr, sich mit den Anrufen von Leuten abzugeben, die von der Entführung Ihrer Mutter erfahren haben und wissen, dass er im selben Department arbeitet.»
    Sie runzelte sorgenvoll die Stirn. «Können Sie seine Privatadresse herausfinden?» Sie wunderte sich über ihre eigene Hartnäckigkeit.
    Aber Corben schien sie nicht zu stören. Er sah auf die Uhr. «Ich möchte mich seinetwegen noch nicht an die Polizei wenden, nicht um diese Zeit. Ich rufe ihn einfach in ein paar Minuten noch einmal an.»
    Sein Gesicht war immer noch völlig unergründlich, aber sie spürte jetzt deutlich, dass er besorgt war. Sie dachte daran, wie sie mit ihm vor der Wohnungstür ihrer Mutter gestanden hatte, und schaute ihm in die Augen. Ihre Stimme verhärtete sich ein wenig, als sie die nächste Frage stellte.
    «Vor Moms Wohnung … Sie haben gesagt, ich wüsste doch schon, dass es ernst sei. Und natürlich war es das auch. Aber wie Sie es gesagt haben …» Sie schwieg einen Moment lang. Sie wusste, dass sie recht hatte, und diese Überzeugung stand ihr plötzlich gleißend hell vor Augen. «Sie haben mir immer noch nicht alles erzählt. Da steckt noch mehr dahinter, nicht wahr?»
    Er lehnte sich zurück und fuhr sich mit der Hand durch das Haar. Dann sah er sie an und schien einen Entschluss zu fassen. Er beugte sich vor und nahm seinen Laptop aus dem Aktenkoffer. Er klappte ihn auf, schaltete ihn ein und strich mit dem Zeigefinger über den kleinen Fingerabdruck-Scanner, bevor er ein paar Tasten drückte. Der Bildschirm leuchtete auf. Schweigend navigierte er durch die Verzeichnisse, bis er den Ordner gefunden hatte, den er suchte. Er hob den Kopf.
    «Das hier ist geheim», sagte er. Er holte tief Luft, als überlegte er immer noch, ob es nicht ein Fehler war, sie einzuweihen.
    Dann drehte er den Bildschirm so, dass sie ihn sehen konnte. Ein Foto zeigte etwas, das aussah wie eine Wand in einem kleinen, zellenartigen Raum. Etwas Kreisförmiges, im Verhältnis zu der Leuchtstoffröhre unter der Decke ungefähr so groß wie ein aufgespannter Schirm, war in die Wand geritzt. Mia erkannte es sofort.
    «Ich war in den ersten Jahren des Krieges im Irak stationiert», erklärte Corben. «Eine unserer Einheiten bekam Informationen über einen Arzt in Saddams unmittelbarer Umgebung. Aber als sein Anwesen gestürmt wurde, war er bereits verschwunden.»
    Sofort schossen Mia tausend Fragen durch den Kopf, doch Corben war noch nicht fertig.
    «Was sie dort fanden, war schrecklich. Im Keller befand sich ein großes Labor. Ein hochmoderner OP mit allem Drum und Dran. Er hatte dort Experimente durchgeführt, Experimente, die …» Einen Augenblick lang suchte er nach Worten, und ein schmerzvoller Ausdruck huschte über sein Gesicht. Mia hörte den Schmerz auch in seiner Stimme. «Er experimentierte mit Menschen. Mit jungen und alten Menschen. Männern, Frauen. Kindern …»
    Mia gefror das Blut in den Adern. Entsetzen mischte sich in die Sorge um ihre Mutter.
    «Es gab Haftzellen auf dem Gelände, aber kurz vor dem Angriff waren alle Insassen hingerichtet worden. Außerdem fanden wir Dutzende von Leichen, verscharrt auf einem Feld in der Nähe des Hauses. Nackt, in Massengräbern. Viele von ihnen waren operiert worden. Einigen fehlten Körperteile. In Kühlschränken lagerten ganze Sammlungen von Organen und gallonenweise Blut. Manche Wunden – da, wo er sie aufgeschnitten hatte – waren nicht vernäht worden. Er hatte sich die Mühe gespart, sie wieder zu verschließen, nachdem er ihnen entnommen hatte, was ihn interessierte. Es gab

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