Immortals after Dark 09 - Sehnsucht der Dunkelheit
und hob das Kinn.
Sein Knurren verstummte. Er runzelte die Stirn, offenbar verwirrt durch ihre Reaktion. Unschlüssig. Dann folgte sein nächster Zug. Er brachte einen Gegenstand ins Spiel, der sie zwang, ihre ganze Strategie neu zu überdenken: ihre Wasserflasche. Er hatte den Riemen über die Schulter geschlungen und hielt sie ihr jetzt mit berechnendem Blick hin.
»Gib sie mir.« Stattdessen öffnete er sie und nahm einen Schluck. Sie stürzte auf ihn zu. »Die gehört mir, Dämon.« Sie schnappte danach, doch er hielt sie einfach hoch über ihren Kopf. »Gib sie mir zurück!«
Er senkte sie so weit ab, dass sie sinnloserweise hochsprang, um danach zu greifen – vergebens. »Na schön! Was willst du von mir?«
Ehe sie zurückweichen konnte, umfasste er ihren Nacken und hielt ihr die Flasche an den Mund. Offensichtlich wollte er ihr die Flasche geben wie einem Säugling.
Sie traute dem Dämon nicht, sie mochte ihn nicht. Er war grob, möglicherweise sogar ein eiskalter Mörder. Sie war versucht, ihm zu sagen, wohin er sich die Flasche stecken sollte, aber sie benötigte den Inhalt einfach viel zu dringend.
Menschen konnten nach drei Tagen ohne Wasser sterben, solange sie sich irgendwo drinnen befanden. Carrow war nun schon über einen Tag lang in der Hölle unterwegs, war die meiste Zeit gerannt und spürte das auch.
»Also gut.« Sie öffnete den Mund, und er drückte die Flaschenöffnung daran. Das Wasser floss über ihre Lippen, heiß und metallisch. Noch nie zuvor hatte etwas so gut geschmeckt.
Noch während sie trank, fühlte sie schon, wie die Flüssigkeit ihren Körper belebte, wie deren Wirkung sie mit der Kraft und Geschwindigkeit eines Drogenrauschs überschwemmte. Ihre Lider schlossen sich. Innerhalb weniger Augenblicke vergingen Kopfschmerzen und andere Wehwehchen.
Er zog die Flasche zurück, doch nur, um sie kurz Luft holen zu lassen. »Das tut so gut«, murmelte sie.
Hastig drückte er sie wieder an ihre Lippen. Als sie ihm einen Blick zuwarf, sah sie, dass er sie mit halb gesenkten Lidern beobachtete. Vermutlich erregte es ihn, wie gierig sie an der Flasche saugte.
Doch darüber konnte sie sich jetzt keine Sorgen machen. Wasser lief ihr über Kinn und Hals und durchnässte den Stoff über einer ihrer Brüste. Ganz egal.
Was war denn los mit ihr? Sie ließ sich von einem Dämon manipulieren, war ein Spielball seiner Launen. Dabei könnte er sie jederzeit wieder beißen. Und ich kann kaum noch die Augen offen halten.
Viel zu früh nahm er ihr die Flasche wieder weg. Seine Augen klebten praktisch an ihrem durchnässten Oberteil. Dann wurde sein Blick verschlagen. Er spritzte ihr Wasser über die andere Brust. Sie zuckte zurück, löste sich aus seinem Griff.
»Hör sofort auf!«, fuhr sie ihn an.
An einem Ort wie diesem erschien es ihr verschwenderisch und sündhaft, Wasser absichtlich zu verschütten. Sie konnte nicht verhindern, dass sie ein Schaudern überlief, und ihre Nippel verhärteten sich unter ihrem Oberteil, direkt vor seinem starren Blick.
Er stieß ein raues Knurren aus, zugleich vermittelte er ihr ein seltsames Gefühl der Zufriedenheit, wie ein ehrfürchtiges Staunen.
» Ara, minde jart «, sagte er schließlich, wobei er sich mit der Hand auf den Brustkorb schlug. Seine Stimme war heiser.
»Frau, mein … Herz?« Wieder versuchte er ihr begreiflich zu machen, dass sie ihm gehörte. Dann dachte er also, dass das der einzige Grund war, weshalb sie sich ihm noch nicht hingegeben hatte? »Ja, ich weiß, dass ich ›die Deine‹ bin, aber ich bin eine Hexe. Und das heißt, dass ich nicht unbedingt dasselbe für dich empfinden werde.« In herablassendem Tonfall fuhr sie fort: »Das Schicksal zwingt Hexen nicht dazu, Leute zu mögen. Aber wieso mache ich mir überhaupt die Mühe, dir das zu erklären?« Doch dann kam ihr etwas in den Sinn: Wenn er wirklich so gestört und gewalttätig war, wie es in seiner Akte gestanden hatte, warum bemühte er sich dann immer noch, sie zu überzeugen, anstatt sie einfach zu zwingen? Warum band er ihr nicht einfach ein Seil an das Halsband und zerrte sie mit sich?
Wenn das hier wahrhaftig eine erbarmungslose Höllenebene war, wo man entweder der Herr und Gebieter war oder von einem solchen besessen wurde, dann hatte sie wohl den einzigen Dämon getroffen, der tatsächlich versuchte, sie für sich zu gewinnen.
Hmm. Zum ersten Mal, seit sie diese Ebene betreten hatte, wurde sie nicht von dem Gefühl beherrscht, dass ihr Tod unmittelbar
Weitere Kostenlose Bücher