Immortals after Dark 09 - Sehnsucht der Dunkelheit
registrierte ihre neueste Verletzung. Ihr Gesicht pochte immer noch von Fegleys Schlag. So lange kann ich also nicht weg gewesen sein.
Als sie die Augen einen Spaltbreit öffnete, stellte sie fest, dass sie auf dem unteren Bett in ihrer alten Zelle lag und Ruby auf sie hinabstarrte. »Crow!«
Carrow schloss das Mädchen in die Arme. »Ruby, meine Süße.«
»Ich hab dich so vermisst!«
»Ich hab dich auch vermisst.«
»Was ist denn mit deinem Gesicht passiert, Crow? Und warum sind wir noch hier? Gehen wir denn jetzt nicht nach Hause?«
Mit einiger Mühe richtete sich Carrow in eine sitzende Position auf, wobei sie vor Schmerzen das Gesicht verzog. »Sie haben uns angelogen, Ruby.«
»Angelogen?« Die Augen des Mädchens schimmerten beunruhigt.
»Das heißt aber noch lange nicht, dass wir bis in alle Ewigkeit hierbleiben. Wir werden fliehen. Das versprech ich dir.« Carrow sah über den Kopf des Mädchens hinweg zu dem Etagenbett auf der anderen Seite, auf dem zwei neue Frauen der Sorceri saßen. Carrow erkannte die beiden aus der Akte, die das Haus der Hexen führte. Darin waren die beiden als böse Sorceri verzeichnet, die jederzeit umgebracht werden konnten: Emberine, die Königin der Flammen, und Portia, die Königin der Steine. Die beiden waren seit vielen Jahrhunderten Partnerinnen und, wenn man den Gerüchten Glauben schenken durfte, ein Liebespaar.
Sie waren unverkennbar. Portias hellblondes Haar war kurz geschnitten, mit schwarz gefärbten Spitzen, die der Schwerkraft trotzten. Emberines widerborstige Mähne war nach Sorceri-Art in wilde Zöpfe geflochten. Einige der dicken Flechten leuchteten in kühnem Tizianrot, andere waren schwarz. Auf ihrem metallenen Brustpanzer waren Flammen eingraviert.
Ohne den Blick von ihnen zu nehmen, fragte Carrow Lanthe: »Was tun die denn hier?«
Gemeinsam konnten diese beiden Königinnen Feuer und Stein manipulieren wie niemand anders auf Erden. Es hieß, dass Ember die Macht von hundert Feuerdämonen besäße und sich sogar selbst in eine Flamme verwandeln könne. Portia war angeblich in der Lage, ganze Berge zu versetzen, im wahrsten Sinne des Wortes. Sie benutzten ihre Macht in erster Linie für rücksichtslose, willkürliche Massaker.
»Die sind erst zwei Tage hier«, antwortete Lanthe, der die beiden Neuankömmlinge kein Stück besser zu gefallen schienen als Carrow. »So langsam sind wir hier voll belegt.«
»Wir werden von Sterblichen gefangen gehalten«, sagte Emberine. »Wie demütigend.« Sie kicherten.
»Wodurch wir jede Menge Zeit hatten, uns mit der kleinen Ruby anzufreunden«, fügte Portia hinzu. »Worüber haben wir uns doch gleich noch gestern so schön unterhalten? Ach ja, darüber, dass das Haus der Zicken einfach nicht mit deinen Kräften umzugehen weiß.«
Ember breitete die Arme aus. »Ruby, komm und setz dich auf Tante Embers Schoß, wie sonst auch immer.«
Als sich Carrows Finger fester um ihre Schulter schlossen, sah Ruby mit gerunzelter Stirn zu ihr auf.
Portia zeigte auf Carrows Gesicht. »Nettes Veilchen. Passt zu deinem Rock.«
Carrow warf den beiden einen mörderischen Blick zu. »Ich hab einen wirklich schlimmen Tag hinter mir. Also lasst mich lieber in Ruhe.« Und dabei war Fegleys Schlag nur der Zuckerguss auf der Torte, die sie höchstpersönlich gebacken hatte.
Sie hatte einen Dämon verraten, der es nicht verdient hatte. Dieser Blick in seinen Augen. Zu spät erst hatte er die Macht ihrer Waffen erkannt …
»Oh ja, du wurdest vom Orden hintergangen«, sagte Portia.
Ember fügte hinzu: »Man muss kein Orakel zu sein, um mit so was zu rechnen.«
Nachdem Carrow Ruby endlich dazu gebracht hatte, einzuschlafen, und die Sorceri sich ebenfalls hingelegt hatten, saßen Carrow und Lanthe noch mit dem Rücken zur Wand da – wieder einmal, wie passend – und beobachteten, was im Gefangenentrakt so los war.
»Wie ist es Ruby ergangen?«, fragte Carrow.
»Sie wacht jede Nacht auf, ist immer noch verwirrt und weiß nicht so recht, wo sie ist und warum ihre Mutter nicht hier ist. Jedes Mal wenn es ihr dann wieder einfällt, weint sie sich in den Schlaf. Deinetwegen hat sie auch geweint.«
Carrow atmete aus. »Ich wünschte, ich könnte irgendwie verhindern, dass sie nach alldem hier total verkorkst ist.«
»Ich habe in ihrem Alter wesentlich Schlimmeres durchgemacht. Ich habe die enthaupteten Leichen meiner Eltern gefunden und mit angesehen, wie meiner Schwester die Kehle durchgeschnitten wurde. Und sieh nur, wie wunderbar
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