Immortals After Dark 12 - Lothaire
schlimm wie Sterbliche sein und denken, dass etwas nicht existiert, nur weil sie es nicht sehen können.«
»Dann willst du also sowohl den Thron der Horde als auch den der Dakier?« Er neigte den Kopf. »Wenn du so mächtig bist, müssen deine Untertanen deine Herrschaft doch herbeisehnen.«
Er stieß einen verächtlichen Ton aus. »Ich habe vor, das eine Königreich zu unterjochen und das andere in Schutt und Asche zu legen.«
»Und dann was?«
Seine blonden Brauen zogen sich zusammen. »Was meinst du?«
»Schutt und Asche, Unterjochung … Es muss doch einen Grund geben, um so was zu tun.«
»Reine Genugtuung.«
»Und wie lange wird das wohl anhalten? Hundert Jahre? Tausend? Es muss doch irgendein endgültiges Ziel geben, das du verfolgst.«
Er erhob sich, mit einem Mal wieder wütend, und ragte einschüchternd über ihr auf. »Ich habe ein
Endspiel
.«
Völlig durchgeknallt
. Er murmelte etwas auf Russisch, dann ruckte er mit dem Kopf – wie Geisteskranke es öfter taten –, als hätte er gerade etwas gesehen oder erlebt, das niemand anders mitbekommen hatte.
»Dieses ›Endspiel‹ ist also dein
Endziel
?«, fragte sie. »Okay, und was genau ist das?«
Sein Blick verschwamm. »Sieben kleine Aufgaben.«
»Erzähl mir davon.«
Er ratterte eine Liste herunter: »Den Ring finden. Elizabeths Seele vernichten. Saroya wandeln. Dorada töten. Die Horde übernehmen. Sergei finden und töten. Dakier erobern.«
Meine Seele vernichten.
Wie leicht es ihm fiel, das auszusprechen! Und wer war Sergei? »Ich hasse es, dir das sagen zu müssen, Vampir, aber diese Aufgaben sind kein Endziel.«
Er wirbelte zu ihr herum. »Hüte deine Zunge, kleine Sterbliche! Sonst werde ich sie dir herausreißen.«
Sie verstummte, saß angespannt auf dem Sofa, während er sich hin und her translozierte.
Es verging eine ganze Weile, ehe er sie anfuhr: »Wovon zur Hölle hast du eben gesprochen?«
»Ein endgültiges Ziel sollte das Resultat sein, nicht der Prozess, es zu erreichen.«
»Vielleicht ziehe ich aus dem Prozess selbst Vergnügen.«
»Dann ist dein letztendliches Ziel Vergnügen. Die Aufgaben sind und bleiben der Prozess.«
»Mein letztendliches Ziel ist die Erfüllung einer Blutrache. Dafür allein arbeite ich, und das seit Jahrtausenden.«
»Immer noch ein Prozess«, sagte sie zaghaft.
»
Aaaahhhh!
«, brüllte er und boxte wieder gegen die Wand. »Halt endlich dein verdammtes Maul!«
»Die meisten Leute haben Ziele wie ein erfüllendes Familienleben und eine interessante Karriere, woraus sie dann Glück und Zufriedenheit beziehen«, sagte sie in möglichst beiläufigem Ton.
»Was weißt du schon über Glück?« Er beruhigte sich. Dieses Thema schien ihn sehr zu interessieren.
»Immerhin war ich für den größten Teil meines Lebens glücklich. Und nach dem ganzen Mist, den ich in letzter Zeit durchgemacht habe, weiß ich das umso mehr zu schätzen.«
»Wie kannst du denn in diesem Wohnwagen
glücklich
gewesen sein? Du warst gezwungen, deine Nahrung zu jagen, hast kaum irgendetwas besessen.«
Sie blinzelte. Er hatte sie nicht beleidigt? Lothaire schien ehrlich neugierig zu sein? »Ich habe einfach die guten Zeiten genossen, die ich mit denen verbringen durfte, die ich liebe, und die schlechten Zeiten habe ich so schnell wie möglich hinter mir gelassen. Was passiert ist, ist passiert. Ich verharre niemals in der Vergangenheit.«
»Das ist allzu primitiv.«
»Es ist halt nicht kompliziert«, konterte sie.
»Aber abstrakt.«
»Und trotzdem kann man es lernen. Du kannst dir selbst beibringen, glücklich zu sein. Du hast mal gesagt, deine Fähigkeiten zu töten, wären nahezu perfekt. Was würde passieren, wenn du all diese Anstrengungen darangesetzt hättest, glücklich zu sein?«
»Dann hätte ich niemals all diese Jahre überlebt.«
»Vielleicht findest du dein Glück ja durch gemeinsame Interessen mit Saroya.«
»Lass sie hier raus.«
»Aber sie spielt doch eine entscheidende Rolle. Was macht sie denn gerne?«
Er kniff die Augen zusammen. »Saroya jagt, genau wie du früher.«
»Sie jagt keineswegs so wie ich.« Bei dieser Vorstellung hätte sie am liebsten die Faust in eine Wand gedonnert. »Hast du je gesehen, dass ich überall auf dem Berg verwesende Tierkadaver zurückgelassen hätte? Ohne jeden Grund? Das ist kein Vergleich! Ich wäre nie so verschwenderisch und respektlos dem Leben gegenüber.«
»Ein heikles Thema? Habe ich da etwa einen wunden Punkt gefunden?«
»Jeder Vergleich mit ihr
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