I#mNotAWitch 1
annahm. Selbst der Gestank von Tylers Leiche verschwand. Der Rauch glitzerte rötlich, das Feuer sprühte Funken und die Bäume um uns herum fingen plötzlich ebenfalls Feuer.
Wir waren vom Feuer eingeschlossen. Zu all unseren Seiten breitete es sich aus, immer mehr und mehr, bis es keinen Ausweg mehr gab.
Die Kinder schrien und liefen zu ihren Eltern. Die Erwachsenen versammelten sich noch enger um die Feuerstelle, nahmen einander an die Hand und flüsterten weitere Sätze, die mich zusammenschrecken ließen.
Meine Wange brannte. Samuel lagerte meinen Kopf auf seine Schulter und strich tröstend über meinen Rücken.
Daraufhin packten Morgan Hathaway und Gillian Kent ihre Körbe aus, reichten Kristallgläser herum, die sie mit dem zubereiteten Kräutersaft füllten.
Samuel reichte mir ein Glas und führte es an meinen Mund, doch ich schüttelte kraftlos den Kopf.
„Ich will nicht.“
„Du musst, es wird dir gut tun, Quinn“, bat er und drückte das Glas gegen meine Lippen.
Ich nahm einen Schluck von dem bitteren Zeug und hustete. Das Getränk hinterließ einen schalen Geschmack auf meiner Zunge. Ich wollte meinen Mund am liebsten wieder ausspülen.
Auf einmal spürte ich, wie Krämpfe meinen Körper schüttelten und mich auf den Boden drängten. Ich fiel auf das Gras, das sich unter meinen Händen plötzlich wie kleine Messerstiche anfühlte, und schnaufte.
Die Welt um mich herum verwandelte sich in einen einzigen Strudel aus Feuer und Blut. Ich konnte nichts mehr erkennen, hörte nur noch die Stimmen der Erwachsenen, die ihren Sieg feierten, spürte Samuels Hand, der meinen Rücken stützte.
„Phoebe“, flüsterte ich, doch sie kam einfach nicht.
Alles, was ich noch sah, waren verwischte Umrisse in einer blutroten Farbe. Verzerrte Gesichter, die mich auslachten.
Und dann, irgendwann, eine Stimme, die mich in die Tiefe meines Bewusstseins zog.
„Also, jetzt lerne ich dich endlich kennen“, sagte die Stimme neugierig.
„Wer bist du?“, fragte ich verwirrt.
„Das weißt du doch, Quinn.“
Nein, ich wusste gar nichts mehr. Ich hatte alles vergessen. Und ich konnte nichts mehr sehen. Überall war nur Dunkelheit und Kälte.
„Meine Familie“, murmelte ich. „Wie sollen sie sich bloß aus dem Feuer befreien?“ Ja, das fiel mir plötzlich ein. Da war ein Feuer gewesen, das mir Angst bereitet hatte. Sie mussten sich in Sicherheit bringen. Meine Mutter. Savannah. Samuel. Und Phoebe.
Wo waren sie nun? Warum waren sie nicht da?
„Möchtest du denn, dass sie gerettet werden?“ Die Stimme klang spöttisch. „Ich könnte auch dafür sorgen, dass das Gegenteil passiert, wenn du es möchtest. Ich kann all deine Wünsche erfüllen.“
„Nein!“ Warum sollte ich nicht wollen, dass meine Familie gerettet wurde? Schließlich waren sie doch meine Familie. Und sie hatten mir nichts getan. Oder?
Das Gesicht meiner Mutter tauchte vor meinen Augen auf. Sie lächelte und hielt ein Messer in ihrer Hand. Was wollte sie damit tun?
Ein brennendes Stechen fuhr über meine linke Wange und meine Hand presste sich rasch dagegen. Im nächsten Moment war der Schmerz wieder verschwunden.
„Siehst du“, sagte die Stimme, „ich kann dich von all deinen Qualen befreien. Du musst es mir nur sagen. Ich kann alles tun, was du von mir verlangst.“
„Rette meine Familie“, bat ich. „Sie waren immer gut zu mir. Ich liebe sie alle.“
Ein schallendes Lachen ertönte. „Wie du willst, Quinn. Ich werde sie leben lassen. Nur für dich.“
Einen Herzschlag später spürte ich eine angenehme Wärme, die meine Beine heraufkroch, meinen Bauch kitzelte, und dann meine Brust und meine Lungen erfüllte. Die Wärme roch nach Rosenblüten und nach Säure. Oder war es etwas anderes? Schwefel?
Warum roch ich Schwefel?
Ich keuchte, rang nach Atem. Sogleich wurde ich in einen neuen Strudel gezogen, der mich an einen anderen Ort beförderte.
Dieser Ort fühlte sich weich und sicher an. Auch den Geruch kannte ich. Es war der Geruch nach alten Büchern und nach – mir.
Ich kuschelte meinen Kopf in mein Kissen und schlief beruhigt ein. Ich war zu Hause. Meiner Familie ging es gut. Meine Mutter lag in ihrem Bett. Meine Geschwister waren in ihren Zimmern. Wir waren alle zusammen und sicher.
„Bis bald, Quinn“, flüsterte die Stimme, doch ich vernahm sie nur noch in meinem Schlaf.
Am nächsten Morgen würde ich mich nicht mehr an sie erinnern. Und das wusste die Stimme auch. Ich stöhnte und warf mich auf den Bauch.
Die
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