Imperator 01 - Die Tore von Rom
eigentliche Feind, die eigentliche Schlacht …« Er unterbrach sich und richtete den Blick auf den westlichen Horizont, als könnte er bis zu den Toren Roms schauen. »Die eigentliche Schlacht muss noch geschlagen werden, und wir haben schon jetzt viel zu viel Zeit hier verbracht. Reitet weiter. Wir sammeln die Legion an der Küste. Und treten unverzüglich die Überfahrt nach Hause an.«
24
Gaius stützte sich auf die steinerne Fensterbank und sah zu, wie die Sonne über der Stadt aufging. Er hörte, wie sich Cornelia auf dem langen Bett hinter ihm rührte, drehte sich um und lächelte in sich hinein. Sie schlief noch, ihr langes goldenes Haar ergoss sich über ihr Gesicht und über die Schultern, als sie sich unruhig hin und her wälzte. In der Hitze der Nacht hatten sie wenig gebraucht, um sich zu bedecken; ihre langen Beine waren fast bis zur Hüfte entblößt. Die leichte Decke hatte sie mit einer kleinen Hand gepackt und näher ans Gesicht herangezogen.
Einen Moment lang kehrten seine Gedanken zu Alexandria zurück, doch er empfand keinen Schmerz dabei. In den ersten Monaten war es schwer gewesen, sogar mit Freunden wie Diracius, die alles taten, um ihn zu zerstreuen. Jetzt konnte er zurückschauen und sich über seine Einfältigkeit und Unbeholfenheit wundern. Trotzdem blieb nach wie vor ein kleiner Rest von Traurigkeit. Er würde nie wieder dieser unschuldige Junge sein können.
Gaius hatte sich allein mit Metella getroffen und ein Dokument unterzeichnet, mit dem Alexandria an Marius’ Haus überging. Er wusste, dass er darauf vertrauen konnte, dass seine Tante sie gut behandelte. Zusätzlich hatte er eine Summe in Goldstücken aus dem Besitz des Gutes zurückgelassen, die ihr an dem Tag, an dem sie sich die Freiheit erkaufte, ausgehändigt werden sollte. Davon würde sie erst erfahren, wenn sie frei war. Es war nur ein kleines Geschenk, im Vergleich zu dem, was sie ihm gegeben hatte.
Gaius grinste, als er spürte, wie ihn die Erregung abermals überkam, obwohl er wusste, dass er sich auf den Weg machen musste, bevor der Haushalt erwachte. Cornelias Vater Cinna gehörte zu den politischen Schwergewichten, denen Marius schmeichelte und die er unter Kontrolle zu bekommen trachtete. Ein Mann, dem man besser nicht in die Quere kam, und wenn man ihn im Schlafzimmer seiner geliebten Tochter fand, bedeutete das selbst für den Neffen des Marius den Tod.
Er warf ihr noch einen kurzen Blick zu und zog seine Kleider zu sich heran. Trotzdem war sie es wert gewesen, trotzdem würde er das Risiko jederzeit wieder eingehen. Sie war drei Jahre älter als er, aber sie war noch Jungfrau gewesen, was ihn überrascht hatte. Sie gehörte ihm allein, und das verschaffte ihm eine stille Zufriedenheit und mehr als nur ein bisschen der alten Lust.
Sie hatten sich bei einer offiziellen Zusammenkunft der Senatorenfamilien kennen gelernt, anlässlich der Feier zur Geburt von Zwillingen, die einem Angehörigen der Nobilitas geboren worden waren. Mitten am Tag gab es nichts Besseres als die unbeschwerte Zügellosigkeit eines von Diracius’ Festen, und zunächst hatte sich Gaius bei den endlosen Gratulationen und Reden gelangweilt. Dann war sie in einem unbeobachteten Augenblick zu ihm herübergekommen und hatte alles verändert. Sie trug eine dunkelgoldene, fast braune Robe, dazu Ohrringe und einen Halsring aus dem gleichen, schweren Metall. Er hatte sie vom ersten Augenblick an begehrt, und fast ebenso rasch hatte er sie gemocht. Sie war intelligent und selbstbewusst, und sie begehrte ihn. Es war ein schwindelndes Gefühl. Er hatte sich über die Dächer in ihr Schlafzimmerfenster geschlichen und ihr beim Schlafen zugesehen, ihr wild zerzaustes Haar betrachtet.
Er dachte daran, wie sie sich aufgesetzt hatte, mit angezogenen Beinen und vollkommen geradem Rücken. Er hatte ein paar Sekunden gebraucht um zu bemerken, dass sie lächelte. Seufzend zog er seine Kleider und seine Sandalen an.
Nachdem Sulla schon ein ganzes Jahr aus der Stadt fort war und die Rebellion in Griechenland an Grausamkeit zunahm, fiel es Gaius leicht zu vergessen, dass irgendwann die Abrechnung folgen musste. Marius hingegen hatte vom ersten Tag an auf den Augenblick hingearbeitet, an dem Sullas Standarten am Horizont auftauchten. Die Stadt summte immer noch vor Aufregung und Furcht, so wie schon seit Monaten. Die meisten waren geblieben, doch ein stetiger Strom von Kaufleuten und ihren Familien, die die Stadt verließen, zeigte an, dass nicht jeder
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