Imperator 01 - Die Tore von Rom
vielen Vierteln vereitelt worden. Der Kampf würde nicht so rasch beendet sein, und Sulla schlug überall heftiger Widerstand entgegen.
Egal, wie seine Mutter ihn genannt haben mochte, für seine Männer war Orso immer Orso, der Bär, gewesen. Sein vierschrötiger Leib und fast das ganze Gesicht waren von schwarzem, drahtigem Haar bedeckt, bis zu den Wangen hinauf. Jetzt waren seine muskelbepackten Schultern mit getrocknetem Blut verklebt, und wie die anderen im Raum war auch er gezwungen gewesen, auf die römische Reinlichkeit zu verzichten und stank inzwischen kräftig nach Rauch und altem Schweiß.
Der Besprechungsraum, die Küche irgendeines Stadthauses, war zufällig ausgewählt worden. Die Zenturios waren von der Straße hereingekommen und hatten die Karte ausgerollt. Der Eigentümer war irgendwo im Obergeschoss. Orso schaute mit einem Seufzen auf die Karte. Durchbrüche waren möglich, aber um Sulla zu schlagen, brauchten sie das Glück der Götter. Er blickte noch einmal in die Runde und musste sich angesichts der Hoffnung, die er in den Gesichtern sah, beherrschen, um nicht zusammenzuzucken. Er wusste genau, dass er kein Marius war. Wenn der Legat am Leben geblieben und jetzt hier bei ihnen in diesem Raum wäre, hätten sie noch eine Chance gehabt. Aber so …
»An jedem beliebigen Punkt haben sie nicht mehr als zwanzig bis fünfzig Mann stehen. Wenn wir an zwei Stellen mit jeweils einer Zenturie durchbrechen, müsste es möglich sein, sie niederzumachen, bevor ihre Verstärkung da ist.«
»Und was dann? Sollen wir Sulla suchen?«, fragte einer der Zenturios. Marius hätte seinen Namen gekannt, gestand sich Orso ein.
»Wir wissen nicht genau, wo sich diese Schlange aufhält. Ihm ist durchaus zuzutrauen, dass er als Lockvogel für Attentäter irgendwo ein Kommandozelt aufstellt. Ich schlage vor, wir ziehen uns sofort wieder zurück und lassen nur ein paar Männer in ziviler Kleidung zurück, die warten, bis sich eine Gelegenheit bietet, ihn zu schnappen.«
»Das wird den Männern nicht gefallen. Es ist kein vernichtender Sieg, und genau den wollen sie.«
»Die Männer sind Legionäre der verdammt noch mal besten Legion Roms!«, fuhr ihn Orso zornig an. »Sie werden tun, was ihnen gesagt wird. Das hier ist ein Zahlenspiel, wenn es überhaupt ein Spiel ist. Sie haben mehr. Wir haben ein ähnliches Gebiet mit weitaus weniger Männern kontrolliert. Sie können schneller Verstärkung herbeischaffen als wir, und … sie haben einen weitaus erfahreneren Befehlshaber. Das Beste, was wir tun können, ist, hundert ihrer Leute niedermachen und uns zurückziehen und dabei so wenig wie möglich von den unseren verlieren. Sulla hat immer noch das Problem, dass er eine immer größer werdende Front verteidigen muss.«
»Wir haben gewissermaßen das gleiche Problem.«
»Aber bei weitem nicht so schlimm. Wenn sie durchbrechen, dann stehen sie irgendwo in der Stadt, wo sie mit Leichtigkeit abgeschnitten und von allen Seiten angegriffen werden können. Wir haben immer noch das bei weitem größere Stadtgebiet in unserer Hand. Wenn wir ihre Linien durchbrechen, stehen wir direkt im Herzen ihres Territoriums.«
»Wo sie ihre Männer stehen haben, Orso. Ich bin nicht überzeugt davon, dass dein Plan funktioniert«, fuhr der Mann fort.
Orso sah ihn an. »Wie heißt du?«
»Bar Gallienus, Herr.«
»Hast du gehört, was Marius gerufen hat, bevor sie ihn umbrachten?«
Der Mann wurde ein bisschen rot. »Ja, Herr.«
»Ich auch. Wir verteidigen unsere Stadt und ihre Bewohner gegen einen unrechtmäßigen Angreifer. Mein Befehlshaber ist tot. Ich habe vorübergehend das Kommando übernommen, bis die derzeitige Krise vorbei ist. Falls du nichts Brauchbares zu der Besprechung beizutragen hast, schlage ich vor, dass du draußen wartest, bis ich dir mitteile, dass wir fertig sind. Ist das klar?« Obwohl Orsos Stimme ruhig und höflich geblieben war, spürten alle Anwesenden den Zorn, der von ihm ausging, wie körperliche Gewalt. Man brauchte ein wenig Mut, um nicht davor zurückzuweichen.
Bar Gallienus antwortete leise.
»Ich bleibe lieber hier.«
Orso schlug ihm auf die Schulter und wandte den Blick von ihm ab.
»Alles, was einen Speer werfen kann, und jeder Mann mit einem Bogen, zieht sich in einer Stunde an diesen beiden Punkten zusammen. Wir beschießen sie mit allem, was wir haben, und dann stürmen zwei Zenturien auf mein Zeichen hin ihre Stellungen. Ich selbst führe den Angriff durch das alte Marktviertel, weil ich
Weitere Kostenlose Bücher