Imperator 01 - Die Tore von Rom
zurück …«
»Kommt mit nach draußen. Ich hab keine Lust, eine große Rede an euch Halunken zu verschwenden.«
Orso grunzte und humpelte zur Tür hinaus. Auf der Straße standen an die hundert Legionäre der Erstgeborenen, müde und schmutzig, die Wunden notdürftig bandagiert. Sie sahen schon jetzt besiegt aus, und dieser Gedanke ließ ihn die richtigen Worte finden.
»Ich bin ein Soldat Roms!« Seine von Natur aus tiefe und raue Stimme trug weit über sie hinweg und ließ sie Haltung annehmen.
»Alles, was ich immer gewollt habe, war, meine Zeit abzudienen und mich dann auf einem Fleckchen Land zur Ruhe zu setzen. Ich wollte mein Leben nicht in irgendeinem fremden Land aushauchen und vergessen werden. Aber dann diente ich unter einem Mann, der mir mehr ein Vater war als mein eigener Vater es je gewesen ist, und ich habe seinen Tod gesehen und seine Worte gehört, und ich dachte mir, Orso, vielleicht solltest du dir daran ein Beispiel nehmen. Und vielleicht ist das ja genug.
Ist hier einer unter euch, der glaubt, er kann ewig leben? Lasst andere Männer Kohlköpfe pflanzen und in der Sonne vertrocknen. Ich werde sterben wie ein Soldat, in den Straßen der Stadt, die ich liebe, bei ihrer Verteidigung.«
Seine Stimme wurde ein wenig leiser, als verrate er ihnen ein Geheimnis. Die Männer beugten sich vor, und von hinten schloss eine stetig anwachsende Menge auf.
»Ich habe diese Wahrheit begriffen. Nur wenige Dinge sind mehr wert als Träume oder Ehefrauen, die Freuden des Fleisches oder sogar Kinder. Aber manche sind es, und dieses Wissen macht uns erst zu Menschen. Das Leben ist nur ein warmer, kurzer Tag zwischen zwei langen Nächten. Für jeden wird es einmal dunkel, sogar für diejenigen, die sich dagegen wehren und so tun, als blieben sie immer jung und stark.«
Er zeigte auf einen älteren Soldaten, der beim Zuhören langsam ein Bein beugte und streckte.
»Tinasta! Ich sehe, dass du dein altes Knie prüfst. Hast du gedacht, das Alter versüßt dir den Schmerz darin? Warum warten, bis es sich vor Schwäche krümmt, bis dich jüngere Männer beiseite drängen? Nein, meine Freunde. Meine Brüder. Lasst uns abtreten, solange das Licht noch strahlend leuchtet und der Tag noch hell ist.«
Ein junger Soldat hob den Kopf und rief: »Wird man sich unser erinnern?«
Orso seufzte, aber er lächelte. »Eine Zeit lang schon, mein Sohn, aber wer erinnert sich heute noch an die Helden von Karthago oder Sparta? Sie wissen, wie sie ihren Tag beendet haben. Und das ist genug . Mehr gibt es für niemanden.«
»Besteht denn überhaupt keine Möglichkeit, dass wir gewinnen?«, fragte der junge Mann leise.
Orso humpelte auf ihn zu, wobei er sich auf die Krücke stützte. »Mein Sohn. Warum verlässt du die Stadt nicht? Ein paar von euch könnten sich an den Patrouillen vorbeischleichen. Du musst nicht hier bleiben.«
»Das weiß ich, Herr.« Der junge Mann machte eine kurze Pause. »Aber ich bleibe trotzdem.«
»Dann besteht kein Anlass, das Unvermeidliche aufzuschieben. Sammelt die Männer. Alle machen sich bereit, Sullas Barrikaden anzugreifen. Lasst jeden ziehen, der es will, er soll mit meinem Segen gehen. Lasst sie an anderen Orten ein anderes Leben finden und niemandem jemals sagen, dass sie für Rom gekämpft haben, als Marius starb. Eine Stunde, meine Herren. Greift noch einmal zu den Waffen.«
Orso sah sich um, während die Männer ihre Klingen und Rüstungen kontrollierten, so wie sie es gelernt hatten. Mehr als einer klopfte ihm auf die Schulter, als sie zu ihren Stellungen gingen, und er hatte das Gefühl, sein Herz müsse vor Stolz zerspringen.
»Gute Männer, Marius«, murmelte er leise. »Das sind gute Männer.«
33
Cornelius Sulla saß müßig auf einem goldenen Thron, der auf einem Mosaik aus einer Million schwarzer und weißer Kacheln stand. Sein Anwesen unweit der Stadtmitte war unversehrt geblieben, und er genoss es, wieder daheim zu sein und die Macht in Händen zu halten.
Die Legion des Marius hatte fast bis zum letzten Mann gekämpft, so wie er es vorausgesagt hatte. Nur wenige hatten am Ende versucht zu fliehen; Sulla hatte sie verfolgen und gnadenlos niedermachen lassen. Vor den Stadtmauern brannten gewaltige Feuergräben. Man hatte ihm gesagt, dass die abertausend Leichen tage-, wenn nicht gar wochenlang brennen würden, bis die Asche endlich kalt war. Er zweifelte nicht daran, dass die Götter ein solches Opfer zur Rettung ihrer auserwählten Stadt anerkannten.
Sobald die
Weitere Kostenlose Bücher