Imperator 01 - Die Tore von Rom
zusammengekniffenen Augen die einsame Gestalt da unten in der brennenden Sonne betrachtete.
»Weil er noch einmal zurückgekommen ist. Wenn du später einmal selbst Kinder hast, kannst du ihnen erzählen, dass du Renius hast kämpfen sehen«, erklärte Tubruk lächelnd.
Alle um sie herum schienen von seinem Anblick begeistert. Ein Sprechchor bildete sich und schwoll zu unglaublicher Lautstärke an: »Ren-i-us … Ren-i-us.« Der Ruf übertönte jegliches Fußgetrampel oder Kleiderrascheln. Das einzige Geräusch auf der ganzen Welt war sein Name.
Er hob sein Schwert zum Gruß. Selbst aus dieser Entfernung war deutlich zu sehen, dass ihm das Alter noch nicht viel hatte anhaben können.
»Für sechzig Jahre sieht er noch gut aus, aber sein Bauch ist nicht mehr flach. Sieh dir diesen breiten Gürtel an«, murmelte Tubruk zu sich selbst. »Du hast dich gehen lassen, du alter Narr.«
Während der alte Mann den Jubel der Menge entgegennahm, betraten mehrere Sklaven einer nach dem anderen den Sandplatz. Jeder hielt einen Gladius, das Kurzschwert der Legionäre, in der Hand und trug, der größeren Bewegungsfreiheit wegen, nur ein Tuch um die Lenden. Schilde oder Rüstung waren nicht zu sehen. Das römische Publikum verstummte, als die Männer sich um Renius herum zu einer Raute formierten. Einen Augenblick lang herrschte Totenstille, dann öffnete sich die Tür zum Tiergehege.
Noch bevor der Käfig von schwitzenden Sklaven in die Arena gezerrt wurde, war kurzes, hustendes Gebrüll zu hören gewesen. Die Leute tuschelten aufgeregt, denn nun sah man drei Löwen in dem Käfig auf und ab gehen. Durch die Gitterstäbe gesehen waren sie von obszöner Gestalt: Rachen, Kopf und die riesigen, gewölbten Schultern, der lang gestreckte Leib, der sich zum hinteren Ende verjüngte, das selbst fast nur wie ein Anhängsel wirkte. Mit ihren gewaltigen Kiefern schienen sie wie geschaffen dazu, Leben zu zermalmen. Als der Käfig endlich zum Stehen kam, hieben sie mit den Pranken zornig durch die Luft.
Die Sklaven holten mit Hämmern aus, um die Holzpflöcke herauszuschlagen, die den vorderen Teil des Käfigs hielten. Die Zuschauer leckten sich über die vor Aufregung trockenen Lippen. Schließlich ließen die Sklaven die Hämmer fallen, und das eiserne Gatter fiel mit einem weithin hallenden Geräusch in den Sand. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit und Furcht erregender Geschmeidigkeit kamen die Großkatzen eine nach der anderen aus dem Käfig.
Die größte der Raubkatzen brüllte die Gruppe der ihr gegenüberstehenden Männer herausfordernd an. Doch die Männer rührten sich nicht, und so lief der Löwe vor dem Käfig auf und ab, ohne sie dabei auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen. Dann hockte er sich auf die Hinterläufe, während seine beiden Gefährten weiter brüllend die Arena umkreisten.
Ohne Vorzeichen, ohne jede Warnung preschte er urplötzlich auf die Männer los, die sichtlich zurückzuckten. Hier kam der Tod auf sie zu und wollte sie holen.
Man hörte, wie Renius seine Befehle bellte. Die Vorderseite der Rautenformation, drei tapfere Männer, machten sich mit gezogenen Schwertern für den Angriff bereit. Doch kurz vor ihnen setzte der Löwe zum Sprung an, rammte zwei der Männer zu Boden und zerfetzte ihnen mit seinen riesigen Pranken den Brustkorb. Keiner der beiden regte sich mehr, denn ihre Oberkörper bestanden nur noch aus einer Masse blutiger Knochensplitter. Der dritte Mann holte aus und schlug auf die dichte Löwenmähne ein, richtete jedoch kaum Schaden an. Blitzschnell, als hätte eine Schlange zugeschlagen, schloss sich das Maul des Löwen um seinen Arm, und er schrie auf. Er hörte auch nicht auf zu schreien, als er davontorkelte, mit einer Hand den Stumpf des anderen Unterarms umklammernd. Dann strich ein Schwert über die Rippen des Löwen und ein anderes durchtrennte eine Kniesehne, sodass seine Hinterläufe plötzlich lahmten. Die Wunden brachten das Tier noch mehr zur Raserei. Im Blutrausch schnappte es nach sich selbst. Renius knurrte ein Kommando, und die Männer machten ihm den Weg frei, damit er das Tier töten konnte.
In dem Augenblick, in dem er den tödlichen Schlag führte, griffen die beiden anderen Löwen an. Einer schnappte nach dem Kopf des verwundeten Mannes, der hatte weglaufen wollen. Ein kurzes Kieferknacken und es war vorbei. Der Löwe ließ sich neben dem Leichnam nieder, ignorierte die anderen Sklaven, biss in den weichen Unterleib des Toten und begann zu fressen. Daraufhin
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