Imperator 01 - Die Tore von Rom
erklomm Renius den Sattel seines Wallachs. Sein linker Arm fühlte sich nutzlos an, und der Schmerz war stärker als das Ziehen bereits verheilender Verwundungen, das er schon so oft gespürt hatte.
Er war froh, dass keine Diener oder Sklaven Zeuge seiner Unbeholfenheit wurden. Das große Landhaus schien verlassen.
Endlich gelang es ihm, den Rumpf des Pferdes mit beiden Beinen zu umschlingen; die Muskeln trugen sein Gewicht. Obwohl der Abend bereits hereinbrach, würde er es vor der völligen Dunkelheit bis zur Stadt schaffen. Als er daran dachte, entfuhr ihm ein Seufzer. Was blieb ihm jetzt noch? Er würde sein Stadthaus verkaufen, obwohl die Preise während der Aufstände gefallen waren. Vielleicht sollte er warten, bis auf den Straßen wieder Ruhe eingekehrt war. Sulla führte seine Legion in die Stadt, es würde Hinrichtungen und öffentliche Auspeitschungen geben, aber früher oder später würde die Ordnung wiederhergestellt sein. Die Römer schätzten den Krieg vor der eigenen Haustür nicht. Sie hörten gerne von den vernichteten Armeen der Barbaren, aber niemandem gefielen die brutalen Einschränkungen des Kriegsrechts, mit Ausgangssperren und Lebensmittelverknappung, die unweigerlich …
Er hörte ein Geräusch hinter sich, das seine Gedanken unterbrach.
Dort stand Marcus und betrachtete ihn gelassen. »Ich bin gekommen, um dir Lebewohl zu sagen.«
Fast unbewusst nahm Renius die festen Muskeln des Jungen zur Kenntnis, seine gelöste Haltung. Er würde sich einen Namen machen, in einer Zukunft, die der alte Krieger nicht mehr miterleben würde.
Ein Schauer durchfuhr ihn bei dem Gedanken. Niemand lebte ewig, kein Alexander, kein Scipio oder Hannibal, nicht einmal ein Renius.
»Ich bin froh, dass es Gaius besser geht«, sagte er mit klarer Stimme.
»Ich weiß. Ich bin nicht hier, weil ich wütend auf dich bin, sondern um mich zu entschuldigen«, antwortete Marcus und senkte den Blick auf den Sand vor seinen Füßen.
Renius hob die Augenbrauen.
Marcus atmete tief durch. »Es tut mir Leid, dass ich dich nicht getötet habe, du krankes, böses Stück Dreck. Wenn wir uns in Zukunft noch einmal über den Weg laufen sollten, reiße ich dir die Kehle heraus.«
Renius schwankte im Sattel, als wären die Worte Schläge. Er spürte den Hass, und das heiterte ihn unglaublich auf. Fast hätte er laut aufgelacht, als der kleine Gockel seine Drohungen ausstieß, doch ihm wurde klar, dass er seinem Schüler ein letztes Geschenk machen konnte, wenn er seine Worte mit Bedacht wählte.
»Ein solcher Hass wird dich umbringen, Junge. Und dann wirst du Gaius nicht mehr beschützen können.«
»Ich werde immer für ihn da sein.«
»Nein. Nur wenn es dir gelingt, dein Temperament zu zügeln. Wenn du nicht die Ruhe in dir selbst finden kannst, verreckst du irgendwann bei einer Wirtshausrauferei. Du hättest mich getötet, ja; in meinem Alter schwindet die Ausdauer schneller, als ich zugeben mag. Wären wir uns begegnet, als ich noch jünger war, hätte ich dich schneller erledigt als eine Sichel Getreide mäht. Denk daran, wenn du das nächste Mal einem jungen Mann gegenüberstehst, der sich noch einen Namen machen muss.« Nun grinste Renius, und als die Lippen sich zu einer grausamen Fratze verzogen, sah es aus, als erblickte man die Zähne eines Hais.
»Vielleicht kommt diese Gelegenheit früher als du glaubst«, sagte Cabera und trat aus dem Schatten.
»Was? Hast du etwa zugehört, du alter Teufel?«, fragte Renius, immer noch lächelnd, obwohl seine Miene beim Anblick des Heilers, den er zu schätzen gelernt hatte, sanfter wurde.
»Sieh hinüber zur Stadt. Ich glaube, heute Abend reitest du nirgendwo mehr hin«, fuhr Cabera mit ernstem Gesicht fort.
Marcus und Renius drehten sich um und blickten zu den Hügeln hinüber. Obwohl Rom hinter den Erhebungen des Landes verborgen war, sah man ein orangefarbenes Leuchten, das immer heller wurde, während sie entsetzt zusahen.
»Bei Jupiters Eiern! Sie haben die Stadt in Brand gesteckt!«, entfuhr es Renius. Seine geliebte Stadt!
Einen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, seinem Pferd die Sporen zu geben und seinen Platz in den Straßen einzunehmen. Die Menschen kannten sein Gesicht, er konnte helfen, die Ordnung wiederherzustellen. Eine kühle Hand berührte sein Fußgelenk, und er blickte in das Gesicht des alten Cabera hinab.
»Manchmal kann ich in die Zukunft blicken. Wenn du jetzt in die Stadt reitest, bist du noch vor dem Morgengrauen tot. Das ist die
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