Imperator 04 - Die Götter des Krieges
Leben sei vergeudet.«
Julius blickte auf die gebrochene Gestalt des Mannes herab, den er schon seit mehr Jahren kannte, als er sich erinnerte. Seine Stimme brach, als er zum Sprechen ansetzte. »Warum konntest du dich nicht einfach für mich freuen?«, fragte er. »Warum hast du mich verraten?«
»Ich wollte dir ebenbürtig sein«, antwortete Brutus und entblößte rote Zähne. Als er sich bewegte, ließ ihn eine neuerliche Schmerzwelle nach Luft schnappen. »Ich hätte Pompeius niemals für einen solchen Narren gehalten.« Er schaute in Julius’ kalte Augen und wusste, dass über sein Leben und sein Schicksal entschieden wurde, während er hilflos am Boden lag. »Kannst du mir das verzeihen?«, murmelte Brutus und hob den Kopf. »Kann ich dich um diesen letzten Gefallen bitten?«
Julius blieb ihm so lange eine Antwort schuldig, dass Brutus’ Kopf wieder nach hinten fiel und er die Augen schloss.
»Wenn du überlebst«, sagte Julius schließlich, »werde ich die Vergangenheit ruhen lassen. Hörst du mich, Brutus? Ich brauche dich noch.«
Er wusste nicht, ob seine Worte zu ihm durchgedrungen waren. Brutus’ zerschlagenes Gesicht war noch blasser geworden, nur eine pochende Ader am Hals verriet, dass er überhaupt noch am Leben war. Mit größter Behutsamkeit wischte Julius seinem Freund das Blut vom Mund und drückte das Tuch in dessen erschlaffte Hand, bevor er sich wieder erhob.
Dann blickte er in Octavians Gesicht, in dem sich blankes Entsetzen über das soeben Gehörte spiegelte.
»Kümmere dich um diesen Mann, Octavian. Er ist schwer verwundet.«
Langsam schloss Octavian den Mund. »Herr, bitte …«, setzte er an.
»Lass es gut sein, Junge. Für etwas anderes sind wir viel zu weit miteinander gegangen.«
Nach einer Weile senkte Octavian wortlos den Kopf.
»Ja, Herr«, sagte er.
21
Pompeius’ Lager lag auf einem Hügel mit Blick über die Ebene. Nackter grauer Fels lugte wie blanke Knochen durch die grünen Flechten, und man hörte nur das Pfeifen des Windes. In dieser Höhe umtobte der Sturm Julius und seine Männer ungehindert, die den Weg zu den Toren hinaufstiegen. Er sah, dass Pompeius’ Lagersklaven große Fackeln entzündet hatten, und schwarze Rauchschwaden wehten über die darunter liegende Ebene.
Julius blieb stehen und blickte auf Pharsalus hinunter. Seine Generäle schafften Ordnung auf dem Schlachtfeld, aber von diesem Aussichtspunkt konnte er die Reihen der Toten sehen, die genau den Streifen markierten, an dem die beiden Armeen aufeinander geprallt waren. Die Soldaten lagen dort, wo sie gefallen waren. Aus dieser Entfernung wirkte es mehr wie eine gewundene Narbe im Erdboden, wie eine Eigentümlichkeit der Landschaft denn wie ein Schauplatz des Todes. Julius zog seinen Umhang enger um die Schultern und befestigte die Spange, die ihn hielt, erneut.
Pompeius hatte den Platz für seine Festung gut gewählt. Der Pfad zu dem flachen Plateau war schmal und stellenweise so überwuchert, als scheuten selbst die Wildziegen den steilen Aufstieg. Sein Pferd suchte sich vorsichtig seinen Weg, und Julius drängte es nicht zur Eile. Er war immer noch benommen von der neuen Situation, und seine sonst so quecksilbrigen Gedanken schienen unter einer erdrückenden Erinnerungslast begraben. Sein ganzes Leben lang hatte er gegen Feinde gekämpft, in deren Schatten er sich selbst definiert und erklärt hatte, er sei nicht Sulla, nicht Cato und auch nicht Pompeius. Ohne sie war es eine ganz andere Welt, und diese neue Freiheit hatte auch einen Beigeschmack von Angst.
Er wünschte, er hätte Cabera zu der Festung auf dem Hügel bringen können. Der alte Mann hätte verstanden, warum er in diesem Moment nicht jubeln und sich freuen konnte. Vielleicht war es ja nur der Wind oder die große Höhe, doch er konnte sich die Geister der Gefallenen leicht vorstellen. Der Tod war sinnlos. Männer wie Renius und Tubruk füllten genauso lange und breite Gräber aus wie Cato oder Sulla. Am Ende wurde aus allem Fleisch Asche und Erde.
Später würde er den Göttern opfern und ihnen danken, aber auf dem Weg hier herauf fühlte er sich völlig taub. Noch vor wenigen Stunden hatte er einer riesigen Armee gegenübergestanden, und der Sieg war noch immer zu frisch, um wirklich zu sein.
Als er näher heranritt, ragte vor ihm die gewaltige Festung auf, die Pompeius errichtet hatte. Dass jeder einzelne Bestandteil aus den Ebenen hier heraufgeschafft worden war, zeugte von römischer Kraft und römischem
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