Imperator 04 - Die Götter des Krieges
Steg und nahmen ihre Position ein. Sie ging mit Julius durch die Menge, und er sah, dass sich die Reihe der knienden Männer und Frauen bis weit in die Stadt hinein fortsetzte.
»Woher wussten sie, dass du kommst?«
»Heute ist der Jahrestag meiner Krönung«, sagte sie. »Sie wissen, wann die Zeit gekommen ist.«
Die Stadt war sauber und ordentlich, doch sie wirkte verlassen, da jeder Mann, jede Frau und jedes Kind am Straßenrand knieten. Kleopatra beugte sich hin und wieder zu einem von ihnen hinunter und berührte ihn, und wenn Julius sich umdrehte, sah er Tränen der Dankbarkeit.
Der Binsenweg mündete in einen kleinen Platz, der von allem Staub rein gefegt war. Ihre Leibwache ging voran und durchsuchte einen Tempel aus rotem Marmor, der in der Morgensonne glänzte. Die Stille war unheimlich, und Julius fühlte sich an ein verlassenes Dorf in Spanien erinnert, zu dem er einmal mit Servilia geritten war. Dort hatte er eine Statue des Alexander gesehen, und es war beunruhigend, diese Erfahrung in des Königs eigenem Land erneut zu machen.
Er ertappte sich dabei, dass seine Gedanken abschweiften und all das betrauerten, was seit jener anderen Zeit und jenem anderen Ort verloren gegangen war. Die letzten Überreste von Unschuld waren ihm in Gallien und Griechenland ausgetrieben worden. Vielleicht hatte er deshalb beim Anblick von Pompeius’ totem Gesicht Tränen vergossen. Julius erinnerte sich an den kleinen Jungen, der er einmal gewesen war, doch das alles war schon viel zu weit weg. Er dachte an seinen Vater, an Marius, an Tubruk. Sie alle waren nur mehr Schatten. Es hatten sich zu viele Tragödien ereignet, zu viele Erinnerungen lagen irgendwo tief in ihm verschlossen und versiegelt. Er hatte eine Wolfsfalle für Suetonius gegraben und ihn am Leben gelassen. Hätte ihm dieser ägyptische Morgen diese Möglichkeit noch einmal geschenkt, er hätte Suetonius ohne Zaudern getötet.
Vielleicht kam diese Härte mit dem Alter, oder sie rührte von den brutalen Entscheidungen seiner Kriegszüge her. Er hatte Männer in dem Wissen zurückbeordert, dass er damit den Tod anderer treuer Soldaten besiegelte. Er hatte viele von ihnen auf Kosten der wenigen gerettet. Er hatte die Wundärzte zu jenen geführt, die eine Chance zum Überleben hatten. Er hatte sogar gute Männer in das Lager des Pompeius geschickt, obwohl er wusste, dass sie die Überbringung seiner Nachricht nicht überleben würden. Er war davon überzeugt, dass sich solche nüchternen Entscheidungen mit der Zeit in den Knochen ablagerten und die Lebensfreude dämpften. Nicht einmal die Sonne Ägyptens konnte zu ihm durchdringen, Kleopatra jedoch konnte es. Er merkte, dass seine Augen unerklärlicherweise brannten.
Die Wachen kamen zurück, und Julius und Kleopatra schritten langsam in das Zwielicht, ihre Schritte hallten unter einem gewölbten Dach hoch über ihnen. Es war eindeutig ein Ort der Anbetung, und Julius fragte sich, weshalb sie ihn hierher gebracht hatte. Die Wände waren mit Reliefs verziert, Sternenmuster aus gelbem Achat, und dunklere Linien durchzogen den Stein wie blutige Adern. Zu seiner Verwunderung glaubte er, Katzen miauen zu hören, und als er sich suchend nach der Herkunft der Geräusche umschaute, sah er ein Dutzend von ihnen auf Kleopatra zutappen.
Sie murmelte etwas auf Ägyptisch, streichelte sie und erlaubte ihnen, die Köpfchen an ihr zu reiben. »Sind sie nicht schön?«, fragte sie und kniete in ihrer Mitte nieder.
Julius konnte nur nicken und fragte sich insgeheim, welche Unglücklichen den Marmorboden hinter ihnen wohl wieder würden säubern müssen. Sie sah den Ausdruck auf seinem Gesicht, und ihr Lachen hallte in dem Gewölbe wider.
»Sie sind die Wächter des Tempels, Julius. Siehst du ihre Krallen? Wer würde es wagen, trotz solcher Jäger hier einzudringen?«
Die Katzen schnurrten und putzten sich arglos rings um sie her. Dann stand sie vorsichtig auf, und sie folgten ihr mit lässig aufgerichteten Schwänzen.
Am gegenüberliegenden Ende des Tempels stand eine Statue in einer halbrunden Nische. Julius hob den Blick und wäre vor Verwirrung beinahe gestolpert. Sie überragte sie beide so weit, dass Kleopatras Kopf gerade einmal bis zu dem weißen Steinknie reichte.
Julius konnte nur von einem Gesicht zum anderen schauen. Das Gesicht der Königin blickte aus cremefarbenem Marmor auf ihn herab. Die Statue hielt voller Stolz einen kleinen Jungen in den Armen. Es war ein Gesichtsausdruck, den er nur zu gut
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