Imperator 04 - Die Götter des Krieges
kannte.
Kleopatra lächelte. »Das ist Isis, Cäsar, die Mutter des Horus, den sie in Händen hält.«
»Mit deinem Gesicht«, sagte Julius verwundert.
»Der Tempel ist tausend Jahre alt. Er stand bereits, bevor Alexander hierher kam. Trotzdem lebt sie in mir.«
Er sah sie an. Die Katzen rieben sich an ihren Beinen.
»Mein Sohn wird ein Gott sein, Julius. Dein Sohn. Verstehst du jetzt?«
Er sagte nicht, dass das Gesicht der Statue bei genauerer Betrachtung um eine Nuance verschieden war. Die steinerne Frau war ein wenig älter als Kleopatra, und als der erste Schreck vorüber war, erkannte er, dass auch die Linie ihres Kiefers sich leicht von Kleopatras unterschied. Die Augen standen weiter auseinander, aber trotzdem … es war erstaunlich. Zufrieden mit seiner Reaktion nickte sie bedächtig.
»Betest du mit mir zu ihr?«, fragte sie.
Julius runzelte die Stirn. »Wenn sie in dir ist, wie kannst du da beten?«, wollte er wissen.
Sie grinste so breit, dass sie ihre Zähne entblößte. »Immer so direkt, Römer. Ich hätte damit rechnen müssen. Es ist ein Mysterium, oder nicht? Ich trage die Flamme in meinem Körper verborgen, und doch ist sie immer noch hier. Wenn ich dereinst den Pfad des Todes betrete, wird es eine Heimkehr sein, kein Anfang. Wenn du das verstehst, dann verstehst du auch mich. Es würde mich freuen, wenn du zu ihr betest. Sie wird unseren Sohn segnen und ihn stets beschützen.«
Julius konnte ihrem Blick nicht widerstehen. Er kniete nieder und neigte den Kopf, dankbar dafür, dass ihn dabei keine anderen Augen sehen konnten.
Das Viertel der Schriftgelehrten des Königspalastes von Alexandria war fast eine Stadt für sich, in der tausende von Kundigen arbeiteten. Nach der Vernichtung der Großen Bibliothek brannten die Lampen Tag und Nacht, denn die schriftlichen Werke der Meister trafen hier aus ganz Ägypten und Griechenland ein und wurden mit akribischer Sorgfalt kopiert.
Ein Flügel des ausufernden Anbaus war von der römischen Verwaltung okkupiert worden, und Brutus hatte die besten Gemächer für sich selbst in Anspruch genommen. Auf seinen Befehl hin hatten die Handwerker der Legion sämtliche Statuen und alles Gold entfernt und alles, so gut es ging, verpackt und zum Verschiffen in die Heimat vorbereitet. Anschließend waren die Wände mit heller geschnitzter Eiche verkleidet und die Räume in eine römische Zufluchtsstätte verwandelt worden. Nachdem das Trophäensammeln in der Stadt überhand genommen hatte, waren für die Zehnte und die Vierte neue Kasernen errichtet worden. Brutus hatte die Soldaten zuerst eine Zeit lang gewähren lassen, doch es war klar, dass die Disziplin nach wenigen Wochen deutlich nachließ, und so hatte er sich gezwungen gesehen, wieder das harsche Regiment einzuführen, das sie gewohnt waren. Einige hatten sich darüber beschwert, und ein paar Dummköpfe hatten sogar eine Petition unterschrieben, nach deren Überreichung sie sofort zu weit entfernten Außenposten in der Wüste marschieren durften. Die Stadt selbst war ruhig, und Brutus genoss in Julius’ Abwesenheit seine Freiheit von Herzen.
Die Männer, die nach Pharsalus seine Schwäche ausgenutzt hatten, durften jetzt in der heißen Sonne bis zum Umfallen Exkremente schaufeln. Er hatte sich jedes einzelne Gesicht sorgfältig eingeprägt und empfand große Genugtuung dabei, ihnen die schmutzigsten Arbeiten zuzuweisen, die er finden konnte. Mehr als einer von ihnen hatte Schnittwunden und Kratzer erlitten, die sich rasch entzündeten. Brutus war darauf bedacht gewesen, sie auf der Krankenstation zu besuchen, so wie es jeder andere besorgte Offizier tun würde. Bei Julius’ Rückkehr würden gute römische Abwasserkanäle unter Alexandria verlaufen.
Im Besprechungsraum behielt Brutus Octavian sorgfältig im Auge und freute sich daran, wie dieser sich wand.
»… und ich reiche das Problem an dich weiter, General«, fuhr Brutus fort. »Julius hat diese neuen Legionen nach Ägypten gerufen, und sie müssen versorgt, bezahlt und untergebracht werden. Wenn du nicht in der Lage bist, deine Pflicht zu tun, werde ich …«
»Mir hat er davon nichts gesagt«, unterbrach ihn Octavian. Brutus sah ihn finster an.
Die Spannung zwischen den beiden hatte sich nach Julius’ Abreise nicht gelegt. Zuerst hatte Brutus gedacht, Octavian würde sich der Autorität widersetzen, die Julius ihm übertragen hatte. Er erinnerte sich noch der Drohungen des Jüngeren auf einem griechischen Kai, und in gewisser Weise
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