Imperator 04 - Die Götter des Krieges
Achtung dafür. Wenn es doch nur so einfach gewesen wäre!
Pompeius erwartete Brutus, der durch den Mittelgang auf ihn zugeschritten kam, mit kaltem Blick. Die silberne Rüstung war auf Hochglanz poliert, und er sah, dass Brutus wie befohlen sein Schwert abgelegt hatte. Als der General auf ihn zutrat, holte er tief Luft. Er spürte, dass Labienus jede seiner Reaktionen verfolgte, auch wenn er noch so sehr versuchte, es zu verbergen.
Brutus salutierte. »Zu Euren Diensten, Herr«, sagte er.
Stirnrunzelnd sah Pompeius ihn an. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, ob er dieses Treffen vereinbart hatte, doch er würde sich nicht die Blöße geben, das in aller Öffentlichkeit zuzugeben. Sein Gedächtnis war einmal das beste von ganz Rom gewesen, aber das Alter hatte seinem Verstand die Schärfe genommen, so wie seinem Körper die Kraft. Wie zur Erinnerung schmerzte seine Schulter jetzt wieder stärker. Seinen Verdruss darüber hörte man in seiner Erwiderung deutlich heraus.
»Ich habe beschlossen, deine Befehlsgewalt über die Fünfte Legion nicht zu bestätigen, Brutus. Deine Kohorten werden dort die Reihen auffüllen, und du stehst unter dem Befehl von Legat Selatis. Ich werde dich sehr genau beobachten, und wenn du dich gut anstellst … wenn ich feststelle, dass du mir gegenüber wirklich loyal bist, dann wirst du schnell dafür belohnt werden. Du kannst wegtreten.«
Auf Brutus’ Gesicht zeigte sich keine Spur von Enttäuschung. Er schien diese Antwort beinahe erwartet zu haben.
»Ich danke Euch, Herr«, sagte er, salutierte und machte auf dem Absatz kehrt.
Pompeius beobachtete, wie alle Augen im Tempel dem silbernen General auf seinem Weg hinaus folgten, und seufzte leise. Der Mann war zwar ein Stachel in seinem Fleisch, aber auch eine Legende. »Was würdest du mit ihm machen, Labienus?«, fragte er. »Würdest du ihm trauen?«
Labienus zögerte. Es fiel ihm wesentlich leichter, über taktische Schachzüge oder Versorgungsprobleme zu sprechen als über andere Offiziere. Als Pompeius sich ihm zuwandte, antwortete er: »Ich würde ihm nicht mehr trauen als Ihr, Herr. Doch sobald ich mir seiner sicher wäre, würde ich ihm sofort eine Legion geben. Er ist … ein sehr interessanter Offizier. Die Legionäre scheinen ihn zu verehren, und seine Erfahrung lässt vermuten, dass er durchaus fähig wäre, sie unter Eurem Oberkommando anzuführen. Wenn er sich wirklich mit Cäsar überworfen hat, wie er sagt, dann wird er sein Bestes tun, Euer Vertrauen in ihn als gerechtfertigt zu erweisen.«
»Genau darin liegt der Kern des Problems, Labienus. Wenn er aufgrund einer List Cäsars hergekommen ist, kann er an der richtigen Stelle auf unserer Seite so viel Schaden anrichten wie eine weitere Legion auf Cäsars Seite. Ein entscheidender Angriff, der verzögert wird, ein Rückzug an einem kritischen Punkt oder eine schnelle Truppenbewegung, die mich von meinen Vorräten abschneidet. All so etwas könnte die Niederlage in diesem Krieg bedeuten.
Wenn ich mir seiner Loyalität doch nur sicher sein könnte, ich würde ihn ehren und ihn in seiner silbernen Rüstung überall zur Schau stellen. Ich hätte nie darauf hoffen können, einen von Cäsars Feldherren unter meinem Kommando zu haben. Natürlich könnte ich ihn gut gebrauchen, Labienus. Aber so wie die Dinge stehen, traue ich nicht einmal den Kenntnissen, die er mitbringt. Ich bin lieber unwissend, als mich mit in eine Katastrophe hineinmanövrieren zu lassen.«
»Im Augenblick ist es besser, Vorsicht walten zu lassen, Herr. Sobald er den ersten von Cäsars Soldaten tötet, wissen wir, dass er wirklich treu ergeben ist. Sonst lasse ich ihn ergreifen.«
Die beiden Männer sahen einander an, und Pompeius nickte zustimmend.
Die Speisen wurden auf silbernen Tabletts serviert, und Pompeius sorgte dafür, dass Labienus die besten Stücke nahm. Sie aßen vor der Karte stehend und diskutierten weiter über die Probleme des Feldzugs, und sie redeten noch lange weiter, nachdem die Tabletts schon längst leer waren. Die Sonne senkte sich über den Horizont, ehe es für Pompeius Zeit wurde, den verärgerten alten Männern seines Senats einen weiteren Besuch abzustatten.
Als er in die Sonne hinaustrat, gürtete Brutus sein Schwert und ließ Labienus und den alten Narren weiter ihre Pläne schmieden. Die beiden passten gut zueinander, dachte er verbittert. Wenn je ein Funken Leben in Labienus gewesen war, dann hatten ihn die langen Jahre hier im griechischen Backofen
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