Imperator
gallischen Gesoriacum zusammengezogen worden waren, hatten sich an der britannischen Küste primitive Truppenverbände versammelt, um sie zu empfangen – doch als die Römer nicht gleich übergesetzt hatten, waren diese Bauernkrieger wieder auf ihr Land zurückgekehrt. Die Überfahrt war dann schließlich so spät im Sommer erfolgt, dass die Britannier es offenbar endgültig aufgegeben hatten, auf sie zu warten.
Aber Narcissus fragte: »›So gut wie‹ ohne Gegenwehr, Legat?«
»Ein Junge kam zum Strand gelaufen, um das erste Landungsboot zu begrüßen.«
»Ein Junge?«
»Wir glauben, dass er allein war. Mein Dekurio Marcus Allius hat sich seiner angenommen.«
Narcissus zuckte zusammen. »War es nötig, das
Blut eines Unschuldigen zu vergießen, kaum dass ein römischer Stiefel britannischen Boden berührt hat?«
»Wir haben die Überreste eines Feuers, ein primitives Lederzelt und ein paar Spuren gefunden«, sagte Vespasian unbeteiligt. »Aber wir glauben, dass wir immer noch unentdeckt sind. Nur ein Junge, der am Strand sein Lager aufgeschlagen hatte – am falschen Ort und zur falschen Zeit.«
»Falsch für ihn, in der Tat.« Narcissus richtete sich im Gehen zu seiner vollen Größe auf und sog die salzige, nachtkühle Luft ein. »Und haben wir uns einen guten Landeplatz ausgesucht?«
»Er ist so gut, wie wir es nach den Karten der Händler erwartet hatten«, antwortete Vespasian. »Dieser Ort, Rutupiae, wird künftig zweifellos ein bedeutendes Einfallstor für uns werden.« Er zeigte in die Dunkelheit. »Da drüben stelle ich mir einen Deich vor, und dort vielleicht ein Kastell – ach, aber es wird alles im Schatten des Triumphbogens für Claudius stehen.« Vespasians Ton war durchaus respektvoll, aber Narcissus kannte ihn gut genug, um eine leise Andeutung von Spott herauszuhören. »Heute Abend ist es unser Ziel«, fuhr Vespasian fort, »den Landekopf vorzubereiten, sodass der Hauptteil der Streitmacht morgen an Land gehen kann …«
Narcissus hob die Hand. »Die Einzelheiten sind unwichtig.«
»Dann gebe ich dir nur einen kurzen Überblick. Im Lauf der Nacht werden wir diese Halbinsel von einer Küste zur anderen mit mehrfachen Gräben und einer
Palisade befestigen, und dahinter errichten wir dann ein Zeltlager für die restlichen Landungstruppen.
Wenn die Legionen morgen zum Appell angetreten sind, rücken wir aus. Wir sind an der Ostspitze einer Halbinsel gelandet. Von hier aus folgen wir dem Südufer eines Ästuars nach Westen, der Mündung eines Gezeitenstroms, den wir Tamesis nennen. Sobald wir den Fluss überquert haben, ziehen wir nordwärts nach Camulodunum, zum Zentrum der Catuvellaunen.«
»Ah ja, diese lästigen Fürsten. Dieses ›Zentrum‹ – ist das eine befestigte Stadt?«
Vespasian lächelte. »Camulodunum ist nicht Troja, Sekretär. Aber die Catuvellaunen sind die größte Macht in diesem Winkel des Landes, und Camulodunum ist ihre Hauptstadt. Ihre Niederlage wird wesentlich dazu beitragen, dass die Ziele des Kaisers erreicht werden.«
»Und der Zeitplan für dieses grandiose Unternehmen?«
»Wir sind zuversichtlich, dass wir Camulodunum schon dieses Jahr einnehmen werden, auch wenn die Zeit knapp ist.«
»Der Kaiser selbst muss die Hauptstadt einnehmen.«
Vespasian neigte den Kopf. »Das versteht sich.«
»Es scheint alles sehr einfach zu sein, Legat.«
Vespasian hob die Schultern. »Einfache Pläne sind die besten, sagt Plautius, und ich bin ganz seiner Meinung. Der Krieg bringt für gewöhnlich schon genug Komplikationen mit sich.«
Dieses Wort verwirrte Narcissus für einen Moment. »Komplikationen? – Ah, du meinst die Britannier.« In dem Geflecht persönlicher, wirtschaftlicher und politischer Motive, die sie alle hierher gebracht hatten, vergaß man leicht, dass dieses Land keine leere Arena für römische Ambitionen, sondern bereits voller Menschen war.
Sie erreichten die Dünenreihe über dem eigentlichen Strand. Narcissus erklomm eine niedrige Anhöhe und schaute landeinwärts, sah jedoch nichts von dem Land, auf das er im Namen Roms Anspruch zu erheben gedachte, nichts als weitere Dünen.
Er atmete tief ein und aus. »Es riecht anders, nicht wahr? Britannien riecht nach Salz und Wind. Jetzt, wo ich hier stehe, wird mir klar, dass die Seltsamkeit der Überfahrt in Julius’ Erinnerungen gar nicht so übertrieben ist. Haben deine abergläubischen Soldaten recht, Vespasian? Sind wir wirklich über das Ende der Welt hinausgelangt, stehen wir im
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