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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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gehört.« Cunedda flüsterte jetzt. »Du hast scharfe Ohren.«
    Ein Knurren aus der Dunkelheit. »Hört auf mit dem Gequassel.« Nectovelin war ein Schatten vor der Nacht. Agrippina fragte sich, ob er etwa die ganze Zeit wach gewesen war.
    »Glaubt ihr, das sind Piraten?«, fragte Cunedda nervös.
    »Wer landet sonst mitten in der Nacht?«, gab Agrippina zurück.
    Nectovelin grunzte leise. »Ja, wer wohl?«
    »Was meinst du?«
    »Wer immer das sein mag, sie brauchen nicht zu wissen, dass wir hier sind«, meinte Cunedda. »Wir sollten das Feuer löschen.«

    »Schon geschehen«, sagte Nectovelin. »Aber sie werden den Rauch riechen …«
    »Hallo!« Die kleine Stimme wehte vom Strand herauf. Es war natürlich Mandubracius. Er hielt eine Fackel in der Hand, und als er zum Meer hinunterging, war es, als schwebe er in einer Blase aus flackerndem Licht, eine schmale, geisterhafte Gestalt.
    Auf dem Wasser herrschte einen Moment lang völlige Stille. Aber dann kam eine Antwort. »Hallo? « Eine Männerstimme mit starkem Akzent.
    Nectovelin fluchte derb. »Ich dachte, er schliefe noch. Meine Schuld, meine Schuld.«
    Cunedda wollte aufstehen. »Wir sollten ihn aufhalten.«
    »Nein.« Nectovelin hielt ihn am Arm fest. »Vielleicht lassen sie ihn laufen. Besser, wir gehen dieses Risiko ein, als dass wir uns jetzt zu erkennen geben.«
    Agrippina hatte das Gefühl, als wäre ihr Herz durch ein ledernes Band mit dem kleinen Jungen verbunden, der über den Strand lief. »Er ist nur ein Kind. Er ist neugierig, das ist alles.«
    »Pst«, sagte Nectovelin nicht allzu barsch.
    Mandubracius erreichte die Wasserlinie. Im flackernden Licht seiner Fackel konnte Agrippina nun undeutlich das gelandete Boot ausmachen. Es war größer, als sie es sich vorgestellt hatte, mit flachem Kiel, offenbar um die Landung am Strand zu erleichtern. Sie sah Männer an Bord, Gesichter, die im matten Fackelschein wie Münzen glänzten. Einer von ihnen stieg ins Wasser und sprach mit Mandubracius. Raues Gelächter
ging durch die Menge an Bord des Landungsboots. Mandubracius schien Angst zu bekommen. Er warf die Fackel weg und wollte die Flucht ergreifen.
    Aber der Mann, der im Wasser stand, zog ein kurzes, plumpes Schwert und streckte Mandubracius damit nieder.
    Sofort schloss sich Nectovelins Hand fest um Agrippinas Mund. Vom Boot kam ein scharfes Wort, vielleicht ein Tadel. Agrippina glaubte, einen Namen zu hören: Marcus Allius . Und dann erlosch das Licht.
    All dies in einem einzigen kurzen Augenblick.
    »Hör mir zu«, sagte Nectovelin, und Agrippina hörte den Kummer in seinem rauen Flüstern. »Allein in diesem Boot sind bestimmt fünfzig Mann, und es werden weitere Boote kommen, Hunderte vielleicht, die überall in diesem Hafen landen. Wenn wir es mit ihnen aufzunehmen versuchen, werden wir ebenfalls sterben. Aber wir müssen am Leben bleiben und erzählen, was wir gesehen haben.« Agrippina wehrte sich weiterhin, aber Nectovelins Griff wurde noch fester. »Glaub mir, ich empfinde genauso wie du. Mehr als das – es ist meine Schuld . Und ich werde nicht ruhen, bis ich seinen Tod gerächt oder mein Leben für seines gegeben habe. Aber nicht jetzt, nicht heute Nacht!«
    Er löste seinen Griff allmählich und gab ihren Mund frei.
    Schwer atmend, der Sand rau auf ihrer Haut, flüsterte sie: »Also gut.«
    Cunedda rang ebenfalls nach Luft, und seine Augen waren weit aufgerissen. Er nickte.

    »Dann folgt mir«, sagte Nectovelin. »Duckt euch und versucht, keine Spuren zu hinterlassen. Wir holen die Pferde, und dann – nun, wir werden sehen. Kommt jetzt.«
    Er trat den Rückzug über die Düne an. Agrippina folgte ihm, und Cunedda bildete die Nachhut.
    Agrippina war sich der großen Gefahr bewusst, in der sie alle schwebten. Sie konzentrierte sich darauf, Nectovelins Anweisungen zu befolgen, und bemühte sich, keinen einzigen Halm des trockenen Dünengrases zu knicken. Aber sie wurde die Bilder dieser wenigen Momente nicht los, als die Fackel ins Wasser gefallen war: der glänzende Brustharnisch des Mannes mit dem Schwert, die Helme der im Boot aufgereihten Männer – und der in die Höhe gereckte Legionsadler.

V
    Von seiner Bank im Heck des Landungsboots aus sah Narcissus die erste Welle der Boote, die auf den Strand fuhren. Unter den Sternen war nichts von dem dunklen Land dahinter zu erkennen, nichts als die Buckel von ein, zwei Dünen – und vielleicht die Asche eines einsamen Feuers am Strand.
    Um Narcissus herum legten sich die nach

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