Imperium
hörte, wie sollte er da wissen, daß dieses Verlagsunternehmen aus einem Zimmer, zwei
Schreibtischen, einem Aktenschrank und einem erst kürzlich installierten Telefon bestand? Und was Armstrongs Aussage
»eine meiner Angestellten« anging, traf »eine« ebenfalls zu: Sally Carr war vor einer Woche nach England zurückgekehrt, und er hatte sie an diesem Morgen als Chefsekretärin
eingestellt.
Armstrong hatte dem Makler den Scheck für die Miete
deshalb nicht sofort ausstellen können, weil er erst vor kurzem ein Konto bei Barclays eröffnet hatte und die Bank ihm erst dann ein Scheckbuch aushändigte, wenn aus Berlin die ver-sprochene Überweisung des Bankhauses Holt & Co.
eingegangen war. Die Tatsache, daß Armstrong den Rang eines Captains bekleidete und das Militärverdienstkreuz trug, schien den Bankdirektor nicht zu beeindrucken.
Als das Geld endlich eintraf, erklärte der Direktor einem Angestellten, daß er dem Auftreten des Captains nach zu 370
urteilen eigentlich mit einem wesentlich höheren Betrag als zweihundertsiebzehn Pfund, neun Shilling und sechs Pence gerechnet hatte.
Während Armstrong auf den Eingang des Geldes wartete, rief er Stephen Hallet in seinem Anwaltsbüro in Lincoln’s Inn Fields an und bat ihn, die Armstrong Communications als Kapitalgesellschaft eintragen zu lassen. Das kostete ihn weitere zehn Pfund.
Kaum war die Gesellschaft gegründet, landete eine neuerliche unbezahlbare Rechnung auf Sallys Schreibtisch. Diesmal verfügte Armstrong über keine zwölf Flaschen Rotwein, mit denen er seine Schulden hätte abgelten können; deshalb bot er Hallet an, die Geschäftsführung der Gesellschaft zu
übernehmen.
Als sein Geld endlich auf dem Konto war, bezahlte
Armstrong die ausstehenden Rechnungen, wonach der
Kontostand auf unter vierzig Pfund sank. Er wies Sally an, in Zukunft Rechnungen, die zehn Pfund überstiegen, erst nach Eingang der dritten Mahnung zu begleichen.
Charlotte, die ihr zweites Kind erwartete und im sechsten Monat schwanger war, traf wenige Tage, nachdem Dick die Wohnung in Knightsbridge gemietet hatte, in London ein. Als sie sich zum erstenmal in den vier Zimmern umsah, schluckte sie die Bemerkung herunter, wie klein sie waren, verglichen mit ihrer geräumigen Wohnung in Berlin. Sie war viel zu glücklich, endlich aus Deutschland heraus zu sein.
Armstrong, der täglich mit dem Bus zum Büro und zurück fuhr, fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, ehe er einen Wagen mit Chauffeur sein eigen nannte. Nachdem die
Gesellschaft ins Handelsregister eingetragen war, flog er nach Berlin und überredete Hahn – der sich nur höchst ungern von seinem Geld trennte –, ihm ein Darlehen von tausend Pfund zu geben. Armstrong kehrte mit einem Scheck und einem Dutzend Manuskripten nach London zurück, die binnen weniger Tage 371
übersetzt werden mußten. Dies hatte er Hahn ebenso
versprochen wie die Rückzahlung des Darlehens, die sofort nach Abschluß eines Vertriebsvertrages mit dem Ausland erfolgen sollte. Doch Armstrong hatte ein Problem, das er Hahn gegenüber nicht zugeben konnte. Obwohl Sally geduldig Stunden am Telefon verbrachte und sich bemühte, für
Armstrong Termine bei den Chefs der führenden wissenschaftlichen Verlage in London zu vereinbaren, war ihr rasch klar geworden, daß die Türen für Captain Armstrong hier nicht so bereitwillig geöffnet wurden, wie es in Berlin der Fall gewesen war.
Wenn Armstrong am Abend nach Hause kam – was nie vor
Mitternacht der Fall war –, fragte Charlotte ihn mit ermüdender Regelmäßigkeit, wie das Geschäft lief. Die ebenso regelmäßige Antwort »So gut wie gar nicht« wurde nach einiger Zeit von
»streng geheim« abgelöst. Doch Charlotte entging nicht, daß fast regelmäßig dünne braune Umschläge in ihrem Briefkasten landeten, die anscheinend ungeöffnet in der nächstbesten Schublade verschwanden. Als Charlotte zur Geburt ihres zweiten Kindes nach Lyon flog, versicherte Dick ihr, er werde seinen ersten großen Vertrag an Land gezogen haben, bevor sie zurück sei.
Zehn Tage später, als Dick gerade eine Antwort auf den einzigen Brief diktierte, den er an diesem Morgen erhalten hatte, klopfte es an die Tür. Sally öffnete und stand dem ersten Kunden der Armstrong Communications gegenüber. Geoffrey Bailey, ein Kanadier, der einen kleinen Verleger in Montreal vertrat und versehentlich auf der falschen Etage aus dem Fahrstuhl gestiegen war, verließ eine Stunde später das Büro mit drei
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