Imperium
öffnete und führte die Besucher in ein großes, komfortabel möbliertes Büro mit Fenstern zur Wall Street. Der Raum erweckte auf Anhieb den Eindruck, daß er von einer außerordentlich tüchtigen und dynamischen Person benutzt wurde.
Eine Dame – Keith schätzte sie auf etwa vierzig bis
fünfundvierzig – kam hinter ihrem Schreibtisch hervor, um die Besucher zu begrüßen. Sie besaß etwa Keiths Größe, hatte kurzgeschnittenes, dunkles Haar und ein herbes Gesicht, von dem unter der großen dunklen Brille jedoch nicht allzu viel zu sehen war. Mrs. Beresford trug ein dunkelblaues Schneider-kostüm mit kremfarbener Bluse.
»Guten Tag.« Sie hielt Keith die Hand hin. »Ich bin
Elizabeth Beresford.«
»Keith Townsend.« Er schüttelte ihr die Hand. »Das ist mein Rechtsberater, Tom Spencer.«
»Ich lasse Sie jetzt allein«, sagte David Grenville. »Aber 665
sehen Sie doch noch kurz bei mir vorbei, bevor Sie das Haus verlassen, Keith.« Er machte eine Pause. »Falls Ihnen dann noch danach ist.«
»Danke.« Townsend nickte. Grenville verließ das Zimmer und schloß die Tür leise hinter sich.
»Bitte, setzen Sie sich doch.« Mrs. Beresford bot den beiden Herren bequeme Sessel an. Während sie zu ihrem Platz hinter dem Schreibtisch zurückkehrte, starrte Townsend auf das Dutzend oder mehr bereitgelegter Aktenordner.
»Möchten Sie eine Tasse Kaffee?« fragte Mrs. Beresford.
»Nein, danke«, sagte Townsend, dem es nur darauf ankam, daß die Frau gleich zur Sache kam. Tom lehnte ebenfalls ab.
»Ich bin eine Art … Firmenarzt«, erklärte Mrs. Beresford,
»und meine Aufgabe, Mr. Townsend, besteht schlicht und einfach darin, die Global Corporation vor einem zu frühen Tod zu bewahren.« Sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück und drückte die Fingerspitzen aneinander. »Wie jeder Arzt, der einen Tumor diagnostiziert, muß ich zuerst einmal herausfinden, ob er gut- oder bösartig ist. Und ich muß Sie vorab darauf aufmerksam machen, daß meine Erfolgschance bei einer solchen Operation etwa eins zu vier beträgt. Ich möchte Ihnen auch nicht verheimlichen, daß dies mein bisher schwierigster Auftrag ist.«
»Danke, Mrs. Beresford«, murmelte Townsend. »Das ist
sehr beruhigend.«
Sie ging nicht darauf ein, sondern lehnte sich vor und öffnete einen der Ordner auf ihrem Schreibtisch.
»Obwohl ich heute Vormittag, von meinen äußerst
kompetenten Finanzteam unterstützt, mehrere Stunden über Ihren Bilanzen gesessen habe, kann ich immer noch nicht beurteilen, ob die Kritik der Financial Times an Ihrem Unternehmen in dieser Form berechtigt ist. Die Zeitung hat sich mit einer oberflächlichen Schätzung begnügt, daß Ihre Schulden beträchtlich höher sind als Ihre Sicherheiten. Meine 666
Aufgabe besteht darin, diesen Punkt sehr viel genauer zu eruieren. Überdies habe ich mir einige zusätzliche Informationen über Sie besorgt, Mr. Townsend, und nach weiterer
Durchsicht Ihrer Akten bin ich zu zwei Schlußfolgerungen gelangt. Erstens leiden Sie an einer Krankheit, die unter Selfmademen weit verbreitet ist: Wenn Sie ein Geschäft abschließen, fasziniert Sie der ferne Horizont – solange Sie es anderen überlassen können, sich darum zu sorgen, wie man ihn erreicht.«
Tom bemühte sich, nicht zu lächeln.
»Zweitens: Sie haben offenbar den klassischen Fehler
begangen, den die Japaner drolligerweise als ›das Archimedes-Prinzip‹ bezeichnen. Damit ist gemeint, daß das letzte Geschäft häufig größer ist als die Summe aller anderen. Genauer gesagt
– Sie haben sich drei Milliarden Dollar von verschiedenen Banken und Geldinstituten geliehen, um die Multi Media zu übernehmen, ohne auch nur einen Gedanken daran zu ver-schwenden, ob die anderen Unternehmen Ihres Konzerns überhaupt soviel erbringen können, um einen derart riesigen Kredit zurückzuerstatten.« Sie hielt inne und drückte erneut die Fingerspitzen aneinander. »Es fällt mir schwer zu glauben, daß Sie bei dieser Transaktion professionellen Rat eingeholt haben.«
»Ich habe mir durchaus professionellen Rat eingeholt«, entgegnete Townsend, »und Mr. Spencer hat versucht, mir die Sache auszureden.« Er blickte zu seinem Anwalt, der sich jedoch nicht einmischte.
»So ist das also«, sagte Mrs. Beresford. »Tja, falls ich kein Glück habe, ist der risikobereite Spieler, der in Ihnen steckt, der Grund für Ihren Ruin. Als ich letzte Nacht bis in die frühen Morgenstunden Ihre Akten las, bin ich zu der Ansicht gelangt, daß Sie bisher nur
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