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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Kracht
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(während gleichzeitig das karminrote Gouverneursblut, zuckrigem Sorna gleich, durch das Nervensystem des Insektes pulsierte), ihr kümmerliches Leben unter seiner klatschenden Hand ausgehaucht hatte, ein Abendessen bringen lassen, um am großen Mahagonitisch noch spät speisend zu arbeiten. Die Süßkartoffeln und die Hühnerbrust lustlos mit der Gabel auf dem Porzellanteller hin und her schiebend, hatte er Korrespondenz und Gerichtsurteile überflogen, erneut den erfreulichen Brief seines Freundes Wilhelm Solf, des Gouverneurs von Samoa, gelesen und dabei anderthalb Glas tropenwarmen Riesling getrunken. Es war eine ruhige, samtene Nacht gewesen. Er hatte eine Wachsplatte auf den Grammophonteller gelegt, die Nadel an seine Lieblingsstelle gesetzt, und während die ersten blechernen Takte von Wagners Ritt der Walküren durch den Salon gepurzelt waren, hatte er ein paarmal geniest, sich in die Serviette geschneuzt, dann die Glieder ausgestreckt und seine Krawatte gelockert, und just in diesem Moment war das Insekt durch den Türrahmen herangesummt, und, vom intensiven Geruch der aus den Hahlschen Poren austretenden Milchsäure (deren Ausdünstung durch den warmen Riesling begünstigt und verstärkt wurde) ganz kirre geworden, hatte die Mücke noch im Anflug die Proboscis ausgefahren, um, blind vor Gier, an des Gouverneurs sauber ausrasiertem Nacken anzulanden und ihn mit einem kathartischen, crescendohaften Biß zu penetrieren, bevor sie die erlösende Götterdämmerung der Hahlschen Handfläche erfahren hatte. Und so war das Schwarzwasserfieber in den Gouverneur gekommen.
    Und Engelhardt? Entweder vergaß er, dem Deutschen Klub beizutreten, oder es kam ihm nicht mehr in den Sinn, da er partout keine Lust verspürte, mit jenen tumben, alkoholkranken Pflanzern, die die Mehrheit der Mitglieder des Klubs stellten, privat verkehren zu müssen. Noch im Hotel Fürst Bismarck also, in dem ihn der Herr Direktor Hellwig die erste Woche gratis und franko logieren ließ, da dieser sich von seiner Tätigkeit als Zwischenagent im Verkehr Queen Emmas vis-á-vis August Engelhardt gewisse Vorteile im Herbertshöher Geltungsgefüge versprach (die Verhandlungen um den Kauf einer Kokosplantage waren durchaus keine Alltäglichkeit im Schutzgebiet), schrieb Engelhardt rund ein Dutzend Briefe in die Heimat und an seine Verwandten, in denen er mit blumigen, überschwenglichen Worten die hinreißende Schönheit der Kolonie anpries und seine Geistesgenossen anhielt, ihn möglichst rasch hier zu besuchen.
    Er sei, schrieb er, während er den Blick von der Veranda des Hotels über Herbertshöhe schweifen ließ, mitten in den Verhandlungen zum Kauf einer Plantage, man stelle sich bitte die Fortschrittlichkeit vor, eine Frau leite hier die meisten Geschäfte, auch würde sich niemand auch nur im geringsten an seinen langen Haaren und seinem Bärte stoßen, so daß er wieder dazu übergegangen sei, die Haare offen zu tragen, obwohl sie sich gerade nach heftigen Regengüssen durch die hohe Luftfeuchtigkeit drollig wellten und in alle Himmelsrichtungen kräuselten.
    Und, ach ja, einen überaus sympathischen jungen Seemann habe er im Hotel kennenlernen dürfen, einen gewissen Christian Slütter, mit dem man sich die eine oder andere ausgedehnte Partie Schach geliefert habe (bei einer habe sich sogar Solus Rex für ihn ergeben), auch mehrere gemeinsame Erkundungsspaziergänge jenseits der Stadtgrenzen habe man unternommen. Jener Slütter sei auf dem Wege, sein Kapitänspatent zu erwerben, und überlege, gleichsam der Kaiserlichen Marine beizutreten, er sei zwar kein Vegetarier, aber die Diskussionen um die Vor- und Nachteile des Fleischverzichts, derentwegen oft der Spielfluß um Stunden unterbrochen wurde, seien so niveauvoll und freundlich verlaufen, daß Engelhardt wohl Deutschland nicht so rasch hätte verlassen müssen, wären ähnliche Gespräche mit Nichteingeweihten möglich gewesen. Aber vermutlich träfe man auf solche vorurteilsfreien, weltoffenen Charaktere wie Slütter nur in Übersee.
    Dem Naturheilkundler Adolf Just, seinen Freunden beim Jungborn und in den verschiedenen Nudisten-Kolonien der Heimat eröffnete er, die hiesige Wetterlage sei (die allnachmittäglichen, sturzbach-ähnlichen Regenschauer ließ er in diesen Zeilen unerwähnt) gerade dazu prädestiniert, dem Sonnenfreunde zur Zufrieden- und Vollkommenheit zu gereichen, ja, die tropische Strahlung des Zentralgestirns wirke sich so positiv auf Gemüt und körperliche Verfassung

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