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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Kracht
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wo? Doch! Natürlich! Das war es! Beim florentinischen Meister Frau Angelico, auf seinen Darstellungen des Heilands Jesu Christi als Märtyrer. Engelhardt war dem Erlöser auf diesen Portraits wie aus dem Gesicht geschnitten. Sie lächelte vergnügt und versank ein paar Sekunden in diesem goldenen, lange vergangenen Nachmittag nach dem Besuch der Kirche San Marco, in jenem verschwiegenen Schäferstündchen in der kleinen Pensione unweit des Arno.
    Ein schier unglaublicher Zufall wollte es, daß Engelhardt tatsächlich zum damaligen Zeitpunkt ebenfalls in Florenz gewesen war. Nach dem obligatorischen Besuch der Kirche Santa Croce hatte er hinauf zur San Miniato al Monte steigen wollen, hatte aber, da ihn die trostlose Armut der Italiener jenseits des Stadttores der Porta Romana erschütterte - er sah grobschlächtige, ledern beschürzte Metzger mit ihren Beilen gelbfettige Fleischstücke kleinhauen, die Menschen warfen ihren Unrat nachts aus den Fenstern auf die Via Romana, als sei man im tiefsten Mittelalter -, eine Abkürzung durch die Boboli-Gärten gesucht und sich dort zur Rast auf einer steinernen Bank niedergelassen, war aus den Sandalen geschlüpft und hatte dann wohlig die Füße von sich gestreckt. Irgendwo im Verborgenen hatte sich ein Amateur auf einer Posaune geübt. Auf den Hügeln jenseits der Stadt ragten Zypressen jäh wie schwarze Flammen in den überblauen Himmel. Gegenüber, diesseits des Kiesweges, hatte ein hagerer, eine kleine stählerne Brille tragender, asketisch wirkender Mann gesessen, dem die florentinische Ostersonne bereits einen kräftigen Nußton ins Antlitz gebrannt hatte, und in einem aufgeschlagenen Buch gelesen, kein Italiener wohlgemerkt, sondern der Wahrscheinlichkeit nach Schwede oder Norweger. Beide hatten sich in Augenschein genommen, der Romancier - denn das war er wohl, und kein Skandinavier, sondern Schwabe - hatte mit interessierten Blicken den jungen Bärtigen vermessen, um dann zu entscheiden, ihn nicht anzusprechen, obwohl der so Taxierte darauf zu hoffen schien. Und beide waren wieder ihrer Wege gegangen, Engelhardt hinauf zur San Miniato al Monte und der schwäbische Schriftsteller in eine einfache Gaststube im Stadtteil San Niccoló, wo er sich, in einer kühlen Ecke niederlassend, ein Stück Landschinken und einen Viertelliter blutroten Valpolicella bestellt, an einem mit dem etwas schmucklosen Titel Gertrud versehenen Manuskript weitergearbeitet und den jungen Mann alsbald wieder vergessen hatte.
    Engelhardt trank seinen Tee aus, besah sich in diesem Augenblick das dünne, kostbare chinesische Porzellan der Tasse in seiner Hand und die reiche, entgegenkommend lächelnde Frau dort auf dem Kanapee vor ihm, und er hörte das Wort Kabakon in seinem Kopf hauchen. Er setzte die Tasse vorsichtig auf das Tablett zurück und sagte, er würde die Insel unbesehen nehmen, sechzehntausend Mark zahle er in bar, für den Rest beleihe er, wenn es ihr belieben würde, seine eigene Produktion. Queen Emma dachte nicht lange nach, hier kam ein zartes Jesulein zu ihr, das ohne zu handeln sechzehntausend Mark für ein wertloses Inselchen zahlen und dann noch, rasch grob gerechnet, sich zwei Jahre verpflichten wollte, seine gesamten Erträge ihr zu überschreiben, und all dies für ein Stückchen Land, das sie einem Tolaihäuptling für zwei alte Gewehre, eine Kiste Beile, zwei Segel und dreißig Schweine abgeschwatzt hatte. Sie streckte ihre Hand auf bezaubernde Weise aus, ohne aufzustehen, Engelhardt ergriff sie, und sie schlugen ein.
    Ein Vertragswerk wurde vorbereitet, Kopien hin und her geschickt zwischen der Villa Gunantambu und dem Hotel Fürst Bismarck, von Hoteldirektor Hellwig (der seine rotgeäderte Nase und sein eines Ohr nur zu gerne in alles hineinsteckte) heimlich durchgelesen, von Engelhardt signiert und mit tintenblauem Daumenabdruck versehen. Es wurden Spaziergänge unternommen, einige Gläser Jod, drei Moskitonetze und zwei Stahlbeile gekauft sowie veranlaßt, daß ihm seine Bücherkisten nachgesandt wurden; sonst nahm Engelhardt nichts mit hinüber aus dieser prosaischen Welt in die Seine.
    Die Sonne schien, ach, wie sie schien. Die Überfahrt mit der Dampf barkasse nach Mioko verlief schnell und eindruckslos. Dort angekommen, wies ein mundfauler deutschrussischer Agent namens Botkin mit dem Daumen in Richtung eines bereitstehenden, an den Strand hochgezogenen Segelkanus und eröffnete ihm, dies sei seines, bitte sehr, er besäße nun davon sogar drei. Zwei Eingeborene

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