Imperium
aus, daß er bereits ab dem zweiten Tage seiner Anwesenheit barfuß und nur mit einem Wickeltuch um die Lenden bekleidet seine Spaziergänge durch die Hauptstadt des Schutzgebietes unternommen habe. Dies entsprach absolut nicht der Wahrheit, gleichwohl muß August Engelhardt in Schutz genommen werden vor den Behauptungen, er sei ein Lügner gewesen und habe seine zukünftigen Besucher (denn es sollten nicht wenige sein, die seinem Ruf folgen würden) unter Angabe verdrehter und unwahrer Tatsachen in die Südsee gelockt. Engelhardt selbst fühlte durchaus den Drang, sich auszuziehen und seine Haut dem seelenwärmenden Licht zu präsentieren, allein er befand sich in besagten Verhandlungen zum Erwerb einer Plantage, mit Geldern, welche er gar nicht besaß, und so war er doch Pragmatiker genug, seine Überzeugungen, Kleidung und Nahrung betreffend, nicht sofort allen in Herbertshöhe offenzulegen - man machte schließlich keine Geschäfte mit nackten Langhaarigen.
Im kaiserlichen Postamt indes freundete er sich mit dem untersetzten Postbeamten an, nachdem sich beide einer gemeinsamen Begeisterung für Stempel aller Art versichert hatten. Der Beamte führte Engelhardt in das Hinterzimmer der Poststube und zeigte ihm eine regelrechte kleine Druckerei, die der Beamte in seiner Freizeit dort betrieb: Gummilitzen, allerhand Siegel, Prägestempel und Matrizen, säuberlich beschriftet in Hunderte von Kästchen geordnet, die an der Wand befestigt waren; Druckproben graphischer Elemente und verschiedener Buchstaben lagen auf Bänken und Tischen nebeneinander. Das Schutzgebiet habe unlängst eigene Briefmarken erhalten, die nun in der Hinterstube (just an dieser Maschine hier) mit dem kaiserlichen Stempel Deutsch Guinea versehen wurden. Ein leichter Luftzug kam auf und wirbelte einige Papiere umher, die der Beamte eiligst wieder zusammenklaubte. Engelhardt staunte nicht schlecht, im Geiste sah er schon den Beamten eifrig Entwürfe für seine diversen Werbeschriften skizzieren. Wieder in der Schalterstube gab er dem Beamten die Briefe zur Frankierung auf, schob ein ansehnliches Trinkgeld über den Schalter, und dieser versicherte ihm, er werde zusehen, daß seine Sendungen sicher im nächsten Reichspostschiff Richtung Heimat unterwegs sein würden, Engelhardt könne sich auf ihn verlassen, und er möge ihn nur bald wieder besuchen.
Die Villa Gunantambu, der hölzerne Palast von Frau Forsayth, lag ein paar Gehminuten vom Herbertshöher Ortsschild entfernt, sie selbst saß auf der Veranda, ein bunt besticktes Leinentuch um die schmalen, hübsch gebauten Schultern drapiert, und ließ sich mittels einer komplizierten mechanischen Vorrichtung Luft zufächern. Ein kleiner nackter Junge saß auf dem Rasen und pustete Seifenblasen in die Luft, die sich auf Engelhardts Schultern niedersetzten, um dort, ermattet und unspektakulär, gleich einer von einem zweitklassigen Romancier bemühten Metapher en miniature, ihr kurzes Laugenleben auszuhauchen.
Nun betrat er also die Veranda, stellte sich vor und verbeugte sich. Frau Forsayth, obgleich Halbblut, sprach ein ausgezeichnetes, man möchte fast sagen: ein überperfektes Deutsch. Kalter Tee wurde gebracht, Gebäck und winzig klein gewürfelte, mit Zahnstochern fixierte Mangosteen, von denen sich Engelhardt wenige Mundvoll nahm, um nicht unhöflich zu wirken. Schweigen. Alsdann wies Frau Forsayth, hauptsächlich um die Konversation in Gang zu bringen - denn ein Blick auf den mageren jungen Mann genügte ihr, um ihn als schüchternen, dem Leben etwas abgewandten Zeitgenossen einzuordnen -, auf die neben ihrem Holzpalast wachsenden Kasuarinenbäume hin, dicht mit Flughunden behangen, die wie Kokons an den kahlen Ästen baumelten und gelegentlich kreischend mit den Flughäuten um sich schlugen. Bei großer Hitze, erklärte sie, dabei Engelhardt eindringlich fixierend, urinierten die Tiere über ihre eigenen Flughäute, und die beim Flattern entstehende Verdunstungskälte sorge dann für den gewünschten Kühleffekt. Engelhardt räusperte sich und lächelte verlegen, aus seiner Gurgel rasselte ein undefinierbarer Mißton.
Die Frau schüchterte ihn ein, war sie doch, obwohl längst jenseits der fünfzig und trotz ihrer Leibesfülle, eine höchst attraktive Frau, die es verstand, ihre schmeichelhafte Mimik mit knappen, aber resoluten Bewegungen aufs Eindrucksvollste zu vervollständigen. Es mag gut sein, daß Engelhardt sich zu sehr beeindrucken ließ (die Geschäftsfrau Emma Forsayth würde ja
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