Imperium
flimmert der Lichtstrahl des Projektors, es knackt und knistert, und nun wird alles augenblicklich formlos (da wir kurze Zeit in das Bhavantarabhava Einsicht haben, den Moment der Wiederverkörperung), und dann manifestiert sich, nun freilich richtig herum und wieder in exakter Farbig- und Geschwindigkeit, August Engelhardt in Herbertshöhe (Neupommern) sitzend, im Empfangssalon des Hotels Fürst Bismarck, daselbst auf einem durchaus gemütlich zu nennenden Bast-Sofa (australisches Fabrikat), mit dem Herrn Hoteldirektor Hellwig (Franz Emil) im Gespräch, dabei eine Tasse Kräutertee auf den Knien balancierend, die ceylonesische Analepse hinter sich lassend. Hellwig raucht.
III
Jener Hoteldirektor Hellwig, dem im übrigen das linke Ohr vollständig fehlte, firmierte in Herbertshöhe nicht nur als Makler für dies und das, sondern galt auch als direkter Zugang zu Frau Emma Forsayth, die Engelhardt vom amtierenden Gouverneur Hahl anempfohlen worden war, nachdem er noch aus Nürnberg brieflich vermeldet hatte, er sei am baldigen Erwerb einer Kokosplantage interessiert. Kommen Sie nur, kommen Sie in unsere fröhliche Kolonie, hatte Hahl geschrieben, aber Engelhardt solle sich bloß nicht zuviel Zivilisation erwarten, dafür einiges an Abenteuer, zumeist fleißige Eingeborene und ja, durchaus, Kokospalmen hätten sie da zuhauf. Hahls flotter, in seiner Eloquenz trotzdem ein wenig grober Schreibstil ließ vermuten, er stamme aus dem Berlinischen, dabei wohnte in ihm ein niederbayrischer, intellektueller Eigenbrötler und Sturkopf, was Engelhardt durchaus zupaß kam. Hahl schrieb weiterhin, er solle bitte nach seiner Ankunft sofort dem Deutschen Klub beitreten und sich mit besagter Frau Emma Forsayth treffen, die im Schutzgebiet vielerlei Ländereien besitze und fleißigen Pflanzern aus der Heimat (so sie ihr sympathisch sind) nicht nur günstige Kredite beim Kauf einer Plantage gewähren, sondern auch gute Arbeiter vermitteln konnte. Im übrigen sei sie eine Berühmtheit, man nenne sie von Neupommern bis zu den Hawaiischen Inseln einfach Queen Emma. Engelhardt wunderte sich nicht über die Zustände in der Kolonie, in der eine Frau einen ebenso hohen Status zu genießen schien wie der Gouverneur selbst, denn er war, nachdem er das Kuvert mit dem Gouverneursemblem aufgerissen hatte, viel zu erregt ob der Möglichkeit, seinen Traum vom Kokovorismus auch noch vorfinanziert zu bekommen. Sicher hatte er einige Rücklagen,Tante Marthe war vor zwei Jahren jenseits der Schweizer Grenze verstorben und hatte ihn testamentarisch bedacht, aber auf mehr als zwanzigtausend Mark kam er nicht, den Verlust der Pfandbriefe an den tamilischen Gauner Govindarajan schon abgerechnet.
Unser Freund hatte Gouverneur Hahl nur um wenige Tage verpaßt; der Unglückliche war am Schwarzwasserfieber erkrankt und hatte das Schutzgebiet auf dem italienischen Passagierschiff R. N. Pasticcio Richtung Singapore verlassen, wo er sich, von Kopf bis Fuß in kalte, nasse Essiglaken gewickelt, mit chininhaltiger Limonade auszukurieren hoffte. Das Schwarzwasserfieber, so wurde Hahl von seinem indischen Arzt während der Überfahrt belehrt, war eine Folgeerkrankung der Malaria, als deren Überträger man seit kurzem die gemeine Stechmücke ausgemacht hatte, nachdem jahrhundertelang gestorben wurde ohne die geringste Spur, woher oder warum. Hahl war ein starker Mann und Schmerzen durchaus gewöhnt, dennoch hatten ihn die sich stetig wiederholenden Fieberschübe ausgezehrt und seine Wangen einfallen lassen. Als er aber Singapore erreichte, entsann er sich nicht nur plötzlich, in einem kurzen Augenblick der beseelten Luzidität, jener Briefe aus Nürnberg, sondern auch des eindrücklichen jungen Mannes, der sie geschrieben (Engelhardt hatte eine Photographie mitgesandt, die ihn auf einem fränkischen Hügel nächst Nürnberg stehend zeigte, die Arme zum Himmel, zur Sonne emporgereckt), und des verabredeten Treffens in seiner Herbertshöher Residenz, aber genauso rasch übermannte ihn auch schon der nächste Anfall, sein Geist verfinsterte sich wieder, und Engelhardts Imago, die ihm kraft seiner Briefe (und dieser einen Photographie, die heute freilich längst verschwunden ist) wie die eines radikalen neuen Menschen erschienen war, wich erneut dem tumben, dunkelbraunen Peinigungsraum seiner Krankheit.
Noch in Herbertshöhe hatte sich Hahl, wenige Minuten bevor die Mücke, aus deren erigiertem Stechrüssel die Erreger hinab in seine Blutbahn flossen
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