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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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mehrere Stunden lang an der Übertragung meiner Kurzschriftnotizen in ein korrektes Protokoll für Pompeius. Als ich damit fertig war, kam mir der Gedanke, Cicero noch einen Blick darauf werfen zu lassen. Vielleicht hätte er irgendwelche Einwände. Der Raum, in dem die Konferenz stattgefunden hatte, war leer, ebenso das Atrium. Aber ich hörte die unverwechselbare Stimme des Senators und ging in die Richtung, aus der sie kam. Ich durchquerte einen von Kolonnaden gesäumten Innenhof mit einem sprudelnden Springbrunnen und gelangte durch einen Säulengang in einen weiteren Innengarten. Die Stimme war inzwischen verstummt. Ich blieb stehen und lauschte angestrengt. Vogelgezwitscher und Wassergeplätscher waren die einzigen Geräusche. Plötzlich hörte ich ganz nah und so laut, dass ich zusammenfuhr, eine wie unter Schmerzen stöhnende Frau. Idiotischerweise drehte ich mich um, ging auf eine offene, nur ein paar Schritte entfernte Tür zu und blieb dann wie angewurzelt stehen, als ich Caesar und Pompeius ' Frau Mucia erblickte. Mucia konnte mich nicht sehen. Sie stand vornübergebeugt vor einem Tisch, mit dem Gesicht nach unten, das Kleid bis zur Hlüfte hochgeschoben und umklammerte mit den Händen so fest die Tischkante, dass die Knöchel weiß hervortraten. Caesar allerdings sah mich sehr wohl. Er stand mit dem Gesicht zur Tür und stieß von hinten in sie hinein. Seine echte Hand umfasste ihren geschwollenen Bauch, die linke Hand lag lässig auf der Hüfte. Ich weiß nicht genau, wie lange wir uns anschauten, aber er blickte mir direkt in die Augen, amüsiert, unerschrocken, herausfordernd, mit jenen unergründlichen dunklen Augen, die in den folgenden Jahren noch so viel Rauch und Chaos sehen sollten. Ich machte mich davon.
    Inzwischen hatten sich die Senatoren schon wieder im Konferenzraum versammelt. Cicero führte philosophische Gespräche mit Varro, dem renommiertesten Gelehrten Roms, dessen Werke über Philologie und Altertumskunde mir die größte Ehrfurcht einflößten. Bei jeder anderen Gelegenheit hätte ich mich geehrt gefühlt, ihm vorgestellt zu werden, doch mit meinen Gedanken war ich immer noch bei der Szene, deren Zeuge ich gerade geworden war, sodass ich mich an kein Wort aus Varros Mund erinnern kann. Ich übergab Cicero das Protokoll. Er überflog es kurz, griff nach dem Griffel in meiner Hand und nahm eine kleine Korrektur vor, ohne deshalb seine Unterhaltung mit Varro auch nur für eine Sekunde zu unterbrechen. Pompeius musste ihn dabei beobachtet haben, denn er gesellte sich breit grinsend zu uns, nahm Cicero das Protokoll aus der Hand und sagte, dass er da doch sicher gerade ein paar Zusagen in den Text eingeschmuggelt habe, die er nie und nimmer gemacht habe. »Naja, meine Stimme für die Prätur kriegst du trotzdem«, fuhr er lachend fort und klopfte ihm auf den Rücken. Noch vor wenigen Minuten hatte ich Pompeius als eine Art Gott unter Menschen betrachtet, einen vor Selbstbewusstsein strotzenden Kriegshelden, aber nun, mit meinem frischen Wissen, betrachtete ich ihn auch mit einem traurigen Auge. »Das ist wirklich beachtlich«, sagte er zu mir und fuhr mit seinem riesigen Daumen über die Wortkolonnen. »Du hast meinen Ton exakt getroffen. Wie viel willst du für ihn, Cicero?«
    »Ich habe schon eine Riesensumme von Crassus ausgeschlagen«, antwortete Cicero.
    »Wenn es aber doch einmal zur Versteigerung kommt, denkt an mich, ich bin dabei«, sagte Caesar mit seiner krächzenden Stimme und trat von hinten auf uns zu. »Ich würde Tiro liebend gern unter meine Fittiche nehmen.« Er brachte das auf so freundliche Art vor und schickte obendrein noch ein Zwinkern hinterher, dass niemandem der drohende Unterton auffiel - außer mir, der ich fast in Ohnmacht gefallen wäre vor Angst.
    »Der Tag, an dem ich mich von Tiro trenne, ist der Tag, an dem ich mich aus dem Öffentlichen Leben zurückziehe«, sagte Cicero und sollte damit, wie sich herausstellte, recht behalten.
    »Jetzt will ich ihn erst recht haben«, entgegnete Caesar, und Cicero fiel in das allgemeine Gelächter ein.
    Nachdem man Stillschweigen und ein weiteres Treffen in wenigen Tagen in Rom vereinbart hatte, ging die Runde auseinander. Sobald wir das Tor passiert hatten und auf die Straße nach Tusculum eingebogen waren, ließ Cicero seiner aufgestauten Enttäuschung und Wut freien Lauf, stieß einen lauten Schrei aus und schlug mit der Faust gegen die Seitenwand der Kutsche. »Eine kriminelle Verschwörung!«, sagte er und

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