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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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des Privatmannes, verschwand Octavius unbemerkt aus der Stadt …«) und das Ackergesetz verabschiedet. Aber die Aristokraten nahmen wenige Monate später Rache - woran Crassus Cicero erinnert hatte. Gracchus wurde im Tempel der Fides umzingelt, mit Stöcken und Knüppeln zu Tode geprügelt und seine Leiche in den Tiber geworfen.
    Ich löste die kleine, mit einer Kordel befestigte Wachstafel von meinem Handgelenk und zückte den Griffel. Ich weiß noch, dass ich mich umschaute, bevor ich anfing, die relevanten Stellen aus den Annalen abzuschreiben. Ich verstand jetzt, warum Cicero so viel Wert auf Geheimhaltung gelegt hatte, und wollte sichergehen, dass ich auch wirklich allein war. Meine Finger waren eiskalt, und das Wachs war hart; ich produzierte eine grässliche Kritzelei. Einmal stand plötzlich der Patron des Archivs, Catulus höchstpersönlich, in der Tür und schaute in meine Richtung. Im ersten Augenblick glaubte ich, mein rasendes Herz würde mir die Rippen zerbrechen. Aber dann fiel mir ein, dass der alte Mann kurzsichtig war und dass er ohnehin zu der Sorte Politiker gehörte, die jemanden wie mich nie wiedererkennen würde. Er sprach ein paar Minuten mit einem seiner Freigelassenen und ging dann wieder. Ich beendete meine Abschrift und musste mich zusammenreißen, das Gebäude normalen Schrittes zu verlassen. Ich stieg die vereisten Treppenstufen hinunter, überquerte das Forum und ging weiter in Richtung Ciceros Haus, wobei ich die ganze Zeit die Wachstafel fest an meine Brust drückte. Ich hatte das Gefühl, in meinem ganzen Leben noch keine wichtigere Arbeit erledigt zu haben.
    Als ich wieder nach Hause kam, saß Cicero in seinem Arbeitszimmer noch gemütlich mit Antonius Hybrida zusammen, beendete allerdings das Gespräch, als er mich neben der Tür stehen sah. Hybrida war einer jener gebildeten, feingliedrigen Burschen, die sich und ihr Aussehen mit Wein ruiniert hatten. Obwohl ich an der Tür stand, stieg mir sein Atem in die Nase: Er roch wie verfaultes Obst im Rinnstein. Man hatte ihn vor einigen Jahren aus dem Senat geworfen: weil er pleite gewesen war und wegen seiner lockeren Sitten, die sich im Wesentlichen in Korruption, Trunkenheit und dem Umstand niederschlugen, dass er eine wunderschöne junge Sklavin ersteigert hatte, die als seine Mätresse offen mit ihm zusammenlebte. Aber das Volk auf seine eigentümliche Art hatte einen Narren an seiner Liederlichkeit gefressen, und nachdem er ihm ein Jahr lang als Tribun gedient hatte, hatte er es wieder geschafft, in den Senat einzuziehen. Ich wartete, bis er gegangen war, bevor ich Cicero meine Aufzeichnungen gab. »Was hat er gewollt?«, fragte ich.
    »Meine Unterstützung für seine Kandidatur zum Prätor.«
    »Der hat vielleicht Nerven.«
    »Kann man wohl sagen. Trotzdem habe ich ihm meine Hilfe zugesichert«, sagte er unbekümmert. Als er mein erstauntes Gesicht sah, fügte er hinzu: »Wenn er Prätor wird, habe ich jedenfalls einen Rivalen weniger fürs Konsulat.«
    Er legte meine Notizen auf sein Schreibpult und las sie aufmerksam durch. Dann stützte er die Ellbogen auf, legte das Kinn auf die Hände, beugte sich vor und las sie ein zweites Mal. Ich stellte mir seine Gedanken als einen schnellen, schmalen Wasserstrom vor, der sich durch die Fugen eines gefliesten Bodens bewegte - erst vorwärts, dann nach links und rechts ausgreifend, an einem Punkt kurz innehaltend, in eine andere Richtung weiter vorstoßend, sich immer weiter ausbreitend und verzweigend und dabei in seiner schimmernden, flüssigen Bewegung all die kleinen Möglichkeiten, Konsequenzen und Wahrscheinlichkeiten bedenkend. Schließlich sagte er, halb zu sich selbst, halb zu mir: »Gracchus war der Erste, der es mit dieser Taktik versucht hat - und der Letzte. Kein Wunder. Was für eine Waffe in der Hand eines einzelnen Mannes! Egal, ob man damit durchkommt oder nicht, mit den Konsequenzen müsste man noch Jahre leben.« Er hob den Kopf und schaute mich an. »Ich weiß nicht, Tiro. Vielleicht wäre es besser, wenn du das gleich wieder vernichtest.« Aber als ich die Hand nach meinen Aufzeichnungen ausstreckte, sagte er schnell: »Vielleicht auch nicht.« Stattdessen trug er mir auf, Laurea und ein paar andere Sklaven zusammenzutrommeln, sie zu allen Senatoren aus Pompeius ' innerem Kreis zu schicken und anfragen zu lassen, ob sie heute Nachmittag nach ihren Amtsgeschäften Zeit für ein Treffen hätten. »Aber nicht hier«, fugte er noch schnell hinzu. »In Pompeius '

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