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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Aemilia zurück, von wo er einen guten Überblick über das Geschehen hatte und wenn nötig Anweisungen geben konnte.
    Vermutlich bin ich einer der wenigen noch Lebenden, die Zeuge dieses dramatischen Anblicks waren: Die zehn Volkstribunen saßen nebeneinander auf ihren Plätzen, darunter wie angeheuerte Gladiatoren die beiden gegnerischen Pärchen Gabinius und Cornelius (pro Pompeius) sowie Trebellius und Roscius (pro Crassus); auf den obersten Tempelstufen standen die Priester und Auguren; das orangefarbene Altarfeuer bildete einen flackernden Farbklecks auf diesem ansonsten grauen Bild; auf dem Forum verteilte sich die Masse der vor Kälte rotgesichtigen Wähler, die sich um die zehn Fuß hohen Fahnen ihres jeweiligen Bezirks scharten. Auf jeder Fahne prangte in großen Buchstaben ein Name, AEMILIA, CAMILIA, FABIA etc., sodass umherstreunende Männer immer wussten, wo ihr Platz war. Zwischen den Gruppen wurde gewitzelt und um Stimmen gefeilscht, bis die Trompete des Herolds sie zur Ordnung rief. Der amtliche Ausrufer absolvierte mit scharfer Stimme die zweite Lesung des Gesetzes, danach trat Gabinius vor und hielt eine kurze Rede. Er habe eine erfreuliche Nachricht, sagte er, eine Nachricht, für die das Volk Roms gebetet habe. Pompeius Magnus, tief berührt vom Leid der Nation, habe seine Position nochmals überdacht und sei gewillt, seinem Volk als Oberbefehlshaber zu dienen - aber nur, wenn es der einstimmige Wille von ihnen allen sei. »Ist das euer Wille?«, rief er laut, worauf ihm begeisterter Jubel entgegenschlug. Dank der Arbeit der Funktionäre aus den Wahlbezirken ging das noch eine Zeit lang so weiter. Wann immer Cicero den Eindruck hatte, dass die Lautstärke etwas abflaute, gab er einigen dieser Funktionäre ein diskretes Zeichen, das diese augenblicklich weiterleiteten, und sofort wurden wieder eifrig Fahnen geschwenkt, um den Applaus von Neuem anzufachen. Schließlich rief Gabinius sie mit einer Handbewegung zur Ruhe. »Dann lasst uns zur Wahl schreiten!«
    Langsam - und man musste seinen Mut bewundern, dass er überhaupt aufstand angesichts so vieler tausend Menschen - erhob sich Trebellius von seinem Platz auf der Bank der Volkstribunen und trat vor - mit erhobener Hand, zum Zeichen seines Einspruchs. Gabinius betrachtete ihn voller Verachtung und brüllte dann in die Menge: »Bürger Roms, wollt ihr ihn sprechen lassen?«
    »Nein!«, kreischte die Menge.
    Worauf Trebellius mit vor Anspannung schriller Stimme rief: »Dann lege ich hiermit mein Veto ein!«
    An jedem anderen Tag in den vergangenen vierhundert Jahren, außer im Jahr von Tiberius Gracchus ' Volkstribunat, wäre mit diesem Satz das Gesetzgebungsverfahren beendet gewesen. An diesem schicksalhaften Morgen jedoch brachte Gabinius die höhnisch johlende Menge mit einer Handbewegung zum Schweigen und sagte: »Stimmt ihr Trebellius zu?«
    »Nein!«, brüllten die Menschen. »Nein! Nein!«
    »Gibt es irgendeinen unter euch, der ihm zustimmt?« Nur der Wind war zu hören. Selbst die Senatoren, die Trebellius unterstützten, wagten es nicht, ihre Stimme zu erheben; sie standen schutzlos inmitten der anderen Mitglieder ihres Wahlbezirks und fürchteten, dass der Mob über sie herfallen würde. »Dann beantrage ich gemäß dem von Tiberius Gracchus geschaffenen Präzedenzfall, dass Trebellius wegen Missachtung seines Amtseides, der ihn zur Vertretung der Interessen des Volkes verpflichtet, als Tribun abgesetzt wird, und beantrage weiter, dass sofort darüber abgestimmt wird.«
    Cicero sah mich an. »Jetzt fängt das Schauspiel an«, sagte er.
    Sekundenlang schauten sich die versammelten Bürger nur stumm an. Dann begannen sie zu nicken, begriffen allmählich, und die Erkenntnis äußerte sich in einem langsam ansteigenden Geräuschpegel. Es war die Erkenntnis - zumindest bin ich heute dieser Ansicht, da ich mit geschlossenen Augen in meinem kleinen Arbeitszimmer sitze und mich erinnere -, dass sie jetzt abstimmen konnten und die hohen Herren im Senat nicht die Macht hatten, sie daran zu hindern. Catulus, Hortensius und Crassus bahnten sich aufgeschreckt einen Weg nach vorn und forderten eine Anhörung, doch Gabinius hatte einige von Pompeius ' Veteranen vor den untersten Tempelstufen postiert, die die protestierenden Senatoren aufhielten. Vor allem der sonst so beherrscht wirkende Crassus war außer sich. Mit vor Zorn rot angelaufenem und verzerrtem Gesicht versuchte er vergeblich, das Podium zu stürmen. Er entdeckte Cicero, zeigte auf ihn und

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