Imperium
Stadthaus.« Dann schrieb er eigenhändig eine Botschaft und schickte einen Reiter mit der Anweisung, auf Antwort zu warten, zu Pompeius ' Landsitz in die Albaner Berge. »Wenn Crassus den Geist von Gracchus heraufbeschwören will …«, sagte er grimmig, »das kann er haben!«
Selbstredend waren die anderen ganz begierig darauf zu erfahren, warum Cicero sie zusammenrief. Kurz nachdem die Gerichte und Ämter ihre Pforten geschlossen hatten, tauchten sie nacheinander in Pompeius ' Haus auf. Alle Plätze rund um den großen Tisch waren besetzt bis auf den thronartigen Stuhl des abwesenden Hausbesitzers, der aus Gründen der Ehrerbietung frei blieb. Es mag seltsam erscheinen, dass so intelligente und erfahrene Männer wie Caesar und Varro über die Taktik, die Gracchus als Volkstribun angewandt hatte, nicht genau Bescheid wussten. Aber man darf nicht vergessen, dass Gracchus damals schon seit dreiundsechzig Jahren tot war, dass es seitdem andere große geschichtliche Ereignisse gegeben hatte und dass man sich damals noch nicht so besessen mit der jüngeren Geschichte beschäftigte wie in den folgenden Jahrzehnten. Selbst Cicero hatte die Turbulenzen um Gracchus vergessen, bis er sich durch Crassus ' Drohung wieder verschwommen daran erinnerte, dass er sich während seines Advokatenstudiums mal damit beschäftigt hatte. Solange er meine Auszüge aus den Annalen vortrug, war es still im Raum, aber sobald er seine Ausführungen beendet hatte, setzten sofort aufgeregte Diskussionen ein. Nur der weißhaarige Varro, der Alteste in der Runde, erinnerte sich aus Erzählungen seines Vaters an das Chaos von Gracchus ' Volkstribunat und meldete Vorbehalte an. »Du würdest einen Präzedenzfall schaffen«, sagte er. »Jeder Demagoge, der glaubt, eine Mehrheit der Wahlbezirke hinter sich zu haben, könnte dann das Volk anrufen und damit drohen, einen seiner Kollegen absetzen zu lassen. Und warum eigentlich beim Volkstribun aufhören? Warum nicht auch einen Prätor, einen Konsul absetzen?«
»Das wäre kein Präzedenzfall«, widersprach Caesar ungehalten. »Das hat schon Gracchus für uns erledigt.«
»Genau«, sagte Cicero. »Auch wenn die Aristokraten ihn ermordet haben sollten, seine Gesetzgebung haben sie nicht für illegal erklärt. Ich weiß, was Varro meint, und bis zu einem gewissen Grad teile ich sein Unbehagen. Aber wir befinden uns in einem äußerst harten Kampf, wir müssen ein paar Risiken eingehen.«
Zustimmendes Gemurmel wurde laut, die entscheidenden Prostimmen waren aber die von Gabinius und Cornelius. Schließlich mussten sie sich vor das Volk stellen und die Gesetzgebung durchfechten, und folglich würden vor allem sie, sowohl physisch wie juristisch, die Vergeltung der Aristokraten zu spüren bekommen.
»Das Volk in seiner überwältigenden Mehrheit will dieses Oberkommando, und es will, dass Pompeius es bekommt«, erklärte Gabinius. »Die Tatsache, dass Crassus sich mit seinen tiefen Taschen zwei Volkstribune kaufen kann, darf nicht dazu führen, dass der Wille des Volkes blockiert wird.«
Afranius wollte wissen, ob Pompeius sich schon dazu geäußert habe.
»Hier ist die Botschaft, die ich ihm heute Morgen habe überbringen lassen«, sagte Cicero und hielt sie hoch. »Auf der Rückseite steht seine Antwort, die er mir sofort zurückgeschickt hat. Sie ist zur gleichen Zeit hier eingetroffen wie ihr alle.« Jeder konnte sehen, was Pompeius in seiner großen deutlichen Schrift auf die Rückseite gekritzelt hatte. Es war nur ein einziges Wort: Einverstanden. Damit war das Thema erledigt. Hinterher wies Cicero mich an, den Brief zu verbrennen.
Am Morgen der Volksversammlung war es bitterkalt. Der eisige Wind, der durch die Kolonnaden und zwischen den Tempeln hindurchpfiff, konnte die Menschen jedoch nicht davon abhalten, in Massen aufs Forum zu strömen. An größeren Abstimmungstagen wechselten die Volkstribunen von der Rostra zum Tempel des Castor, wo man mehr Platz für den Wahlvorgang hatte. Arbeiter hatten während der Nacht an den hölzernen Stegen gezimmert, über die die Bürger im Gänsemarsch zur Stimmabgabe gehen würden. Cicero verließ das Haus früh und ohne großes Gefolge - nur Quintus und ich begleiteten ihn. Er sei - so sagte er uns, als wir den Hügel hinuntergingen - nur der Inspizient der Aufführung, nicht einer der Hauptdarsteller. Er unterhielt sich kurz mit ein paar Funktionären aus verschiedenen Wahlbezirken, dann zog er sich mit mir in den Säulengang der Basilica
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