Imperium
der Wahlurne zu einem Ende zu bringen. Daraufhin sprang Roscius auf und versuchte den formalen Antrag zu stellen, das Oberkommando zu teilen. Das Volk war jedoch inzwischen so aufgebracht, dass es ihm die Anhörung verweigerte. Es entstand ein derart ohrenbetäubendes Geschrei, dass - so erzählte man sich später - ein gerade über das Forum fliegender Rabe tot vom Himmel fiel. Angesichts des Aufruhrs konnte Roscius nichts weiter tun, als mit zwei erhobenen Fingern sein Veto gegen das Gesetz einzulegen und gleichzeitig zum Ausdruck zu bringen, dass er zwei Oberbefehlshaber bevorzuge. Beim Versuch, per Abstimmung einen zweiten Volkstribun aus dem Amt jagen zu wollen, darüber war sich Gabinius im Klaren, würde ihm nicht nur das Sonnenlicht abhanden kommen, sondern auch die Möglichkeit, das Oberkommando noch heute beschließen zu lassen. Und wer konnte wissen, was die Aristokraten aus dem Hut zauberten, wenn man ihnen die Gelegenheit gab, ihre Kräfte über Nacht neu zu formieren? Also wandte er Roscius einfach den Rücken zu und gab die Gesetzesvorlage ungeachtet des Einspruchs zur Abstimmung frei.
»Das war ' s«, sagte Cicero zu mir, während die Wahlhelfer wieder zu ihren Plätzen zurückliefen. »Die Sache ist durch. Lauf zu Pompeius ' Haus und sag Bescheid, dass sofort jemand zum General rausreiten soll. Und zwar mit folgender Botschaft, schreib auf: ›Das Gesetz ist angenommen. Der Oberbefehl geht an dich. Sofortige Rückkehr nach Rom erforderlich, noch heute Abend. Zur Stabilisierung der Lage ist deine Anwesenheit unerlässlich. Gezeichnet, Cicero.‹« Ich kontrollierte, ob ich auch alles richtig notiert hatte, und machte mich dann schleunigst auf den Weg, während Cicero sich erneut unter die Menschen mischte und ohne Zweifel wieder voll in seinem Element war. Er schmeichelte, floss über vor Liebenswürdigkeit, platzierte das eine oder andere mitfühlende Wort und gelegentlich wohl auch eine Drohung - entsprechend seiner Philosophie, dass es nichts gab, was man mit Worten nicht aus der Welt schaffen oder wieder ins Lot bringen konnte.
Und so wurde mit der von allen Wahlbezirken einstimmig beschlossenen lex Gabinia ein Gesetz verabschiedet, das gewaltige Auswirkungen haben sollte - für alle persönlich Betroffenen, für Rom, für die Welt.
Mit Einbruch der Dunkelheit leerte sich das Forum, und die Kämpfer zogen sich in ihre jeweiligen Hauptquartiere zurück - der harte Kern der Aristokraten in Catulus ' Haus auf der Kuppe des Palatin, die Anhänger von Crassus in dessen bescheidenere Behausung ein Stück weiter unten am selben Hügel, und die siegreichen Pompeianer in die Villa ihres Anführers auf dem Esquilin. Wie üblich hatte der Erfolg seine fruchtbare Zauberkraft entfaltet, und so drängelten sich nach meiner Schätzung mindestens zwanzig Senatoren in Pompeius ' Tablinum, tranken seinen Wein und erwarteten seine siegreiche Rückkehr. Kandelaber tauchten den Raum in helles Licht. Alkohol, Schweiß, laute Männergespräche - es herrschte eine Atmosphäre wie so oft, wenn sich große Spannungen lösen. Caesar, Afranius, Palicanus, Varro, Gabinius und Cornelius hatten sich eingefunden, waren aber in der Minderzahl gegenüber den neuen Gesichtern. Ich kann mich nicht mehr an alle Namen erinnern. Lucius Torquatus und sein Vetter Aulus waren bestimmt anwesend, ebenso Metellus Nepos und Lentulus Marcellinus, zwei weitere angesehene junge Aristokraten. Cornelius Sisenna (der einer der leidenschaftlichsten Anhänger von Verres gewesen war), die Exkonsuln Lentulus Clodianus und Gellius Publicola (jener Gellius, der immer noch unter Ciceros Witz über die Athener Philosophenkonferenz litt) hatten die Füße hochgelegt und fühlten sich schon ganz wie zu Hause. Cicero selbst saß in einem angrenzenden Zimmer über der Dankesrede, die Pompeius morgen halten würde. Damals wunderte ich mich darüber, dass er so still war, aber im Nachhinein glaube ich, dass er vielleicht intuitiv spürte, dass sich ein Riss im Gefüge des Staates aufgetan hatte, den selbst er mit seinen Worten nur schwer würde kitten können. Alle paar Minuten schickte er mich in den Flur, um nachzusehen, ob Pompeius schon eingetroffen war.
Kurz vor Mitternacht erschien ein Bote mit der Nachricht, dass Pompeius auf der Via Latina Richtung Rom unterwegs sei. Für den Fall, dass seine Feinde eine letzte verzweifelte Aktion planten, standen etwa zwanzig von Pompeius ' Veteranen an der Porta Capena bereit, um ihn mit Fackeln nach Hause
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