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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Einer löste sich aus der Gruppe und stieg die Treppe zum Prätor hinauf. Auf halber Höhe blieb er stehen und wandte sich zu der Menge um. Er war, wenn ich mich so gewöhnlich ausdrücken darf, »ein hübscher Junge« mit langen blonden Locken, vollen, feuchten Lippen und bronzefarbener Haut - eine Art junger Apollo. Als er jedoch anfing zu sprechen, klang seine Stimme überraschend hart und maskulin, nur dass sie verunstaltet wurde durch seinen pseudoplebejischen Akzent, in dem sich sein Familienname wie »Clodius« statt »Claudius« anhörte - was ebenfalls zu seinen modischen Geziertheiten gehörte.
    »Mein Name ist Publius Clodius Pulcher, Sohn des Konsuls Appius Claudius Pulcher, Nachfahre von Konsuln in direkter Linie seit acht Generationen. Ich habe mich heute Morgen hier eingefunden, um vor diesem Gericht Klage einzureichen gegen Sergius Catilina wegen seiner in Afrika verübten Verbrechen.«
    Bei der Erwähnung von Catilinas Namen waren vereinzelt murrende Stimmen und Pfiffe zu hören, und ein großer, grobschlächtiger Mann, der neben uns stand, rief: »Dann pass mal gut auf deinen Hintern auf, mein Schätzchen.«
    Clodius schien das nicht im Geringsten zu irritieren. »Möge der Segen meiner Vorfahren und der Götter das Vorhaben begleiten und zu einem erfolgreichen Abschluss verhelfen.« Mit energischen Schritten ging er die restlichen Stufen hinauf und übergab Orbius unter lautem Beifall seiner Anhänger das sauber zusammengerollte, mit Siegel und rotem Band versehene postulatus. Zu den Klatschenden gehörte auch Caelius, bis Cicero ihn mit einem Blick zur Ordnung rief. »Los, such meinen Bruder«, befahl er ihm. »Sag ihm, was passiert ist und dass ich ihn sofort sprechen muss.«
    »Das ist Sklavenarbeit«, erwiderte er beleidigt. Zweifellos befürchtete er, vor seinen Freunden das Gesicht zu verlieren. »Das kann doch auch Tiro machen, oder nicht?«
    »Tu, was ich dir gesagt habe«, fuhr Cicero ihn an. »Und wenn du schon dabei bist, mach auch gleich noch Frugi ausfindig. Sei froh, dass ich deinem Vater noch nichts von deiner anrüchigen Gesellschaft erzählt habe.« Das überzeugte ihn, und er machte sich Richtung Tempel der Ceres davon, wo normalerweise um diese Stunde des Morgens die plebejischen Ädilen anzutreffen waren. »Ich habe ihn zu sehr verwöhnt«, sagte Cicero bekümmert, als wir den Hügel hinauf nach Hause gingen. »Und weißt du, warum? Weil er von angenehmer Wesensart ist. Das ist die verfluchteste von allen Eigenschaften, jemandem wie ihm lasse ich einfach alles durchgehen.«
    Als Strafe und auch, weil er ihm nicht mehr vollkommen vertraute, schloss Cicero Caelius von der am gleichen Tag stattfindenden Wahlkampfsitzung aus und beauftragte ihn stattdessen mit der Abfassung eines Schriftsatzes. Er wartete, bis Caelius das Arbeitszimmer verlassen hatte, und berichtete dann Quintus und Frugi, was am Morgen geschehen war. Quintus neigte zu einer zuversichtlichen Einschätzung der Lage, während Cicero jetzt vollkommen davon überzeugt war, dass Catilina einer seiner Rivalen im Kampf um das Konsulat sein würde. »Ich habe mir den Terminkalender des Gerichtshofes für Erpressungen angeschaut - ihr wisst, wie das laufen kann. Und tatsächlich: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Fall bis Juli zur Anhörung kommt, ist gleich null. Also kann er in diesem Jahr nicht mehr fürs Konsulat kandidieren. Und deshalb rutscht er unausweichlich ins nächste Jahr, also in meins.« Plötzlich schlug er mit der Faust auf sein Schreibpult - ein Gefühlsausbruch, zu dem er sich nur selten hinreißen ließ. »Genau das habe ich vor einem Jahr prophezeit - Tiro ist meine Zeuge.«
    »Vielleicht wird Catilina ja verurteilt und muss ins Exil?«, sagte Quintus.
    »Mit diesem parfümierten Gockel als Ankläger? Von dem jeder Sklave in ganz Rom weiß, dass er der Liebhaber seiner eigenen Schwester war? Nein, nein, du hast ganz recht gehabt, Tiro. Ich hätte - als sich mir die Gelegenheit dazu auftat - Catilina vor Gericht in die Knie zwingen sollen. Das wäre einfacher gewesen, als ihn an der Wahlurne zu bezwingen.«
    »Vielleicht ist es noch nicht zu spät«, sagte ich. »Vielleicht kann man ja Clodius dazu überreden, die Anklagevertretung an Euch abzutreten.«
    »Das macht er nie«, widersprach Cicero. »Du hast ihn doch gesehen, er ist die Arroganz in Person, ein typischer Claudius. Hier bietet sich ihm die Aussicht auf Ruhm, und die lässt er sich nicht entgehen. Hol lieber die Liste mit den potenziellen

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