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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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unmittelbarer Nähe des Tempels der Luna, der nachts zu Ehren der Mondgöttin immer von Fackeln beleuchtet wurde. Vor der Tür wartete ein Sklave, der uns in die Vorhalle der Villa der Sergii führte, wo Cicero von einer wunderschönen Frau begrüßt wurde. Dabei handelte es sich um Catilinas Frau Aurelia Orestilla, deren Tochter Catilina zuerst verführt haben soll, bevor er sich dann an ihre Mutter herangemacht hatte, um deretwegen er danach, so das Gerücht, seinen Sohn aus erster Ehe ermordet hatte (der Junge hatte gedroht, eher würde er Aurelia töten, als eine derart berüchtigte Kurtisane als seine neue Mutter zu akzeptieren). Cicero wusste das alles und schnitt Aurelias überschwängliche Begrüßung schroff ab. »Ich bin gekommen«, sagte er, »um mit deinem Mann zu sprechen, nicht mit dir.« Sie biss sich auf die Lippen und verstummte. Das Haus war eines der ältesten von ganz Rom. Die Bodendielen knarrten unter unseren Schritten, während wir dem Sklaven ins Innere des Hauses folgten, das nach verstaubten alten Vorhängen und Weihrauch roch. Ich erinnere mich noch an den merkwürdigen Umstand, dass das Haus anscheinend erst kürzlich fast vollständig ausgeräumt worden war. An den Wänden zeichneten sich da, wo einmal Bilder gehangen hatten, rechteckige Umrisse ab, und auf dem Boden markierten Staubringe die Stellen, an denen vorher Statuen gestanden hatten. Im Atrium hingen nur noch die schäbigen, vom Rauch der Öllampen gelb eingefärbten Wachsmasken von Catilinas Ahnen an den Wänden. Hier erwartete uns Catilina. Er war überraschend groß, mindestens einen Kopf größer als Cicero. Die zweite Überraschung war, dass hinter ihm Clodius stand. Für Cicero muss das ein gewaltiger Schock gewesen sein, was er sich als disziplinierter Anwalt allerdings nicht anmerken ließ. Er schüttelte geistesgegenwärtig erst Catilina, dann Clodius die Hand. Nachdem er höflich den Wein, den man ihm anbot, abgelehnt hatte, kamen die drei Männer ohne Umschweife zur Sache.
    Rückblickend fällt mir auf, wie ähnlich sich Catilina und Clodius waren. Es war das einzige Mal, dass ich sie zusammen in einem Raum gesehen habe, und mit ihrer schleppenden Sprechweise und der Art, wie sie so lässig nebeneinanderstanden, als gehörte ihnen ganz selbstverständlich die Welt, sahen sie aus wie Vater und Sohn. Das nennt man wohl »Zucht«. Ehen innerhalb der edelsten Familien Roms über vierhundert Jahre hinweg waren nötig gewesen, um diese beiden Schurken hervorzubringen, die so reinrassig waren wie Vollblutaraber und genauso schnell, eigensinnig und gefährlich.
    »Unserer Meinung nach sollte die Sache so ablaufen«, sagte Catilina. »Unser junger Clodius hier hält eine brillante Rede für die Anklagevertretung, und jeder wird sagen, das ist der neue Cicero, jetzt ist Catilina fällig. Aber dann kommst du, Cicero, und konterst mit einer noch brillanteren Rede für die Verteidigung, sodass es anschließend keinen Menschen mehr überrascht, wenn ich freigesprochen werde. Das Ende der Geschichte ist, dass wir den Leuten ein gutes Spektakel geliefert haben und jeder von uns danach besser dasteht als vorher. Ich werde vor dem Volk Roms für unschuldig erklärt, Clodius bekommt seinen Lorbeer als der tapfere kommende Mann, und du hast einen weiteren fulminanten Sieg vor Gericht errungen, für einen Mandanten, der noch eine Spur nobler ist als deine übliche Klientel.«
    »Und wenn die Geschworenen anders entscheiden?«
    »Darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen.« Catilina klopfte auf seine Tasche. »Um die Geschworenen habe ich mich gekümmert.«
    »Das Recht ist ja so teuer heutzutage«, sagte Clodius lächelnd. »Der arme Catilina musste sogar seine Familienerbstücke versilbern, damit ihm Gerechtigkeit widerfährt. Das ist wirklich ein Skandal. Was macht da bloß das gemeine Volk?«
    »Ich muss die Prozessakten einsehen«, sagte Cicero. »Wann beginnt die Anhörung?«
    »In drei Tagen«, sagte Catilina und machte dem Sklaven, der an der Tür stand, ein Zeichen. »Reicht das, damit du dich ausreichend vorbereiten kannst?«
    »Wenn man die Geschworenen schon überzeugt hat, dann reichen mir für meine Rede zwei kurze Sätze: ›Das hier ist Catilina! Schickt ihn nach Hause.‹«
    »O nein, so kommst du mir nicht davon. Ich will die komplette ciceronische Aufführung!«, sagte Catilina. »Ich will von dir: ›Dieser nnnoble Mmman … das Bbblut von Jahrhunderten … seht die Tränen seiner Fffrau und seiner Fffreunde …

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