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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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‹« Er wedelte mit seinem Arm überschwänglich in der Luft herum und machte auf primitive Weise Ciceros kaum noch hörbares Stottern nach. Clodius lachte. Beide waren schon leicht angetrunken. »Ich will Sprüche wie ›Bbbarbaren aus Afrika bbbesudeln die Ehre dieses altehrwürdigen Gggerichts .. .‹ Ich will, dass du vor unseren Augen Karthago und Troja heraufbeschwörst, dass du Dido und Aeneas …«
    »Ja, ja, schon gut«, schnitt ihm Cicero kühl das Wort ab. »Du wirst professionelle Arbeit bekommen.« Der Sklave war inzwischen mit den Gerichtsunterlagen zurückgekehrt. Ich stopfte sie hastig in meine Dokumententasche, da ich spürte, dass die alkoholisierte Stimmung umzukippen drohte, und es mir angeraten schien, Cicero so schnell wie möglich von hier wegzuschaffen. »Wir müssen uns noch einmal treffen, um die Beweislage durchzusprechen«, fuhr Cicero in unverändert kühlem Tonfall fort. »Am besten gleich morgen, wenn dir das recht ist.«
    »Absolut, ich habe nichts Besseres vor«, sagte Catilina. »Ich hatte eigentlich vor, wie dir natürlich bekannt sein dürfte, diesen Sommer zur Konsulatswahl anzutreten, bis dieser junge Übeltäter hier mir einen Strich durch die Rechnung gemacht hat.«
    Für einen Mann seiner Größe war Catilina unerhört behände. Er machte plötzlich einen Satz nach vorn, schlang seinen muskulösen rechten Arm um Clodius ' Hals und drückte den Kopf des Jüngeren so weit nach unten, dass dieser wehrlos in seinem Klammergriff hing. Der arme Clodius - der, nebenbei bemerkt, auch kein Schwächling war - stöhnte dumpf auf und krallte halbherzig seine Finger in Catilinas Arm. Catilina verfügte über erschreckende Kräfte. Heute frage ich mich, ob er nicht im nächsten Augenblick mit einer ruckartigen Aufwärtsbewegung seines Unterarms Clodius ' Genick gebrochen hätte, wenn Cicero nicht mit ruhiger Stimme gesagt hätte: »Als dein Verteidiger, Catilina, erlaube ich mir den Hinweis, dass es ein schwerwiegender Fehler wäre, deinen Ankläger zu ermorden.«
    Catilina wirbelte herum und starrte Cicero mit finsterem Blick an - als hätte er für einen Augenblick vergessen, wen er vor sich hatte. Dann fing er an zu lachen. Er fuhr durch Clodius ' blondes Lockenhaar und gab ihn frei. Clodius stolperte hustend zurück und massierte seine Schläfen und seine Kehle. Er warf Catilina einen Blick zu, in dem die pure Mordlust stand, doch auch er fasste sich sofort wieder, fing an zu lachen und richtete sich auf. Sie umarmten sich, Catilina rief nach mehr Wein, und wir überließen sie ihrem Gelage. »Ein reizendes Pärchen«, sagte Cicero, als wir am Tempel der Luna vorbeigingen. »Mit ein bisschen Glück haben sie sich bis morgen früh gegenseitig umgebracht.«
    Als wir Ciceros Haus erreichten, lag Terentia in den Wehen. Es gab keinen Zweifel. Ihre Schreie waren bis auf die Straße zu hören. Cicero stand im Atrium und war weiß vor Panik und Entsetzen. Bei Tullias Geburt war er nicht in Rom gewesen, und seine philosophischen Bücher hatten ihn nicht auf das vorbereitet, was sich da abspielte. »Allmächtiger Himmel, das hört sich an, als würde sie gefoltert. Terentia!« Er lief zur Treppe, wurde aber von einer der Hebammen aufgehalten.
    Eine quälend lange Zeit warteten wir im Speisezimmer. Cicero bat mich, bei ihm zu bleiben, war aber zunächst zu nervös, um zu arbeiten. Er legte sich auf die Liege, auf der Terentia gelegen hatte, als wir zu Catilina gegangen waren, sprang aber immer wieder auf und lief unruhig hin und her, sobald er Terentias Schreie hörte. Die Luft war heiß und drückend, die schwarzen Rauchfäden der ruhig brennenden Kerzenflammen sahen aus wie Senkbleischnüre, die starr von der Decke hingen. Ich machte mich daran, die Gerichtsunterlagen, die mir der Sklave in Catilinas Haus gegeben hatte, auf dem Boden auszubreiten und nach bestimmten Kategorien zu ordnen - Anklagepunkte, Zusammenfassungen von Urkundenbeweisen, eidliche Aussagen. Um sich abzulenken, fing Cicero schließlich an zu lesen. Auf dem Bauch liegend hob er eine Papyrusrolle nach der anderen auf, hielt sie neben die Lampe, die ich ihm hingestellt hatte, und vertiefte sich in die Unterlagen. Immer wieder stöhnte er kurz auf, aber ich wusste nicht, ob das an dem nicht nachlassenden Schreien oder an den grauenhaften Anschuldigungen gegen Catilina lag. Die enthielten tatsächlich die entsetzlichsten Schilderungen von Brutalität und Vergewaltigung aus fast jeder Stadt in Afrika, von Urica bis Thaenae, von

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