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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Arbeit und - falls nötig - rücksichtslosen Verbrechen; … die ihm eigenen Launen je nach Situation unter Kontrolle zu halten, sie mal in diese Richtung zu lenken, mal in jene; … sich seriös zugeben bei den Strengen, nachsichtig bei den Freisinnigen, würdevoll bei den Alten, jovial bei den Jungen, dreist bei den Kriminellen, zügellos bei den Lasterhaften … Und das war der Catilina, der uns an jenem Morgen empfing: Die Geburt von Ciceros Sohn hatte man ihm offenbar schon zugetragen, denn er schüttelte seinem Advokaten herzlich die Hand, zog eine wunderschöne Kassette aus Kalbleder hervor und bestand darauf, dass Cicero sie sofort öffnete. Zum Vorschein kam ein Amulett für ein Neugeborenes aus Silber, das Catilina aus Utica mitgebracht hatte. »Nur ein kleines Schmuckstück der Eingeborenen dort, es soll Krankheit und böse Geister abwehren«, sagte er. »Mit meinen besten Wünschen für deinen Jungen.«
    »Das ist sehr großzügig von dir, Catilina«, sagte Cicero. Das Amulett zierte eine ziemlich erlesene Gravur und war sicher kein gewöhnliches billiges Schmuckstück. Als Cicero es gegen das Licht hielt, sah ich, dass darauf alle Arten sich gegenseitig jagender, exotischer wilder Tiere zu sehen waren, die von zahlreichen sich windenden Schlangen miteinander verbunden waren. Einen Augenblick lang drehte er es noch zwischen den Fingern und wog es auf der Handfläche, legte es dann jedoch zurück in die Kassette und gab es Catilina zurück. »Ich fürchte, das kann ich nicht annehmen.«
    »Warum?«, fragte Catilina und lächelte verblüfft. »Weil du mein Anwalt bist, und Anwälte keine Bezahlung annehmen dürfen? Das nenne ich Integrität! Es ist doch bloß eine Kleinigkeit für ein Neugeborenes.«
    »Nun«, erwiderte Cicero und atmete langsam ein. »Eigentlich bin ich nur gekommen, um dir mitzuteilen, dass ich den Fall nicht übernehmen werde.«
    Ich war gerade damit beschäftigt gewesen, sämtliche Unterlagen auf dem kleinen Tisch, der zwischen den beiden Männern stand, auszubreiten, und hatte sie aus den Augenwinkeln im Blick behalten. Jetzt senkte ich schnell den Kopf und tat geschäftig. Nach einer Ewigkeit, wie mir schien, in der keiner von beiden etwas sagte, hörte ich Catilinas Stimme, die leise fragte: »Und warum nicht?«
    »Ich will ganz ehrlich sein: Weil du einfach zu offensichtlich schuldig bist.«
    Wieder herrschte Stille. Dann Catilinas Stimme, die immer noch sehr gelassen klang. »Auch Fonteius war der Erpressung der Gallier schuldig, und trotzdem hast du ihn verteidigt.«
    »Ja. Aber es gibt verschiedene Stufen von Schuld. Fonteius war korrupt, aber harmlos. Du bist korrupt und noch etwas vollkommen anderes.«
    »Das zu entscheiden, ist Sache des Gerichts.«
    »Normalerweise würde ich dir zustimmen. Aber du hast das Urteil schon im Voraus gekauft, und bei dieser Posse möchte ich nicht mitspielen. Du hast es mir unmöglich gemacht, mich selbst davon zu überzeugen, dass mein Handeln ehrenhaft wäre. Und wenn ich mich selbst nicht überzeugen kann, dann kann ich auch niemand anderen überzeugen - nicht meine Frau, nicht meinen Bruder und - was mir vielleicht noch wichtiger ist - auch nicht meinen Sohn, wenn er mal alt genug sein wird, um das alles zu verstehen.«
    In diesem Augenblick riskierte ich einen Blick auf Catilina. Er stand vollkommen regungslos da, die Arme hingen locker an ihm herunter. Er erinnerte mich an ein Tier, das plötzlich einem Rivalen begegnet, an die lauernde, kampfbereite Ruhe des Raubtiers kurz vor dem Sprung. Als er antwortete, kam mir die Beiläufigkeit seines Tonfalls etwas zu angestrengt vor. »Dir ist klar, dass diese Entscheidung für mich keine, für dich aber sehr wohl Folgen haben wird? Es spielt keine Rolle, wer mich vertritt. Für mich ändert sich gar nichts. Man wird mich freisprechen. Aber du wirst statt meiner Freundschaft meine Feindschaft haben.«
    Cicero zuckte mit den Achseln. »Ich dränge mich nach keines Mannes Feindschaft. Sollte sie sich aber nicht vermeiden lassen, so werde ich sie ertragen.«
    »Du hast noch nie eine Feindschaft wie die meine ertragen müssen, da kannst du sicher sein. Frag die Afrikaner.« Er grinste. »Frag Gratidianus.«
    »Du hast ihm die Zunge herausgeschnitten, Catilina. Die Konversation dürfte sich schwierig gestalten.«
    Catilina beugte sich leicht vor, und der Gedanke schoss mir durch den Kopf, er könnte Cicero antun, was er bei Clodius am Abend zuvor nur angedeutet hatte. Aber das wäre Wahnsinn gewesen,

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