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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Thapsus bis Thelepte. Nach ein oder zwei Stunden warf er die Rollen angeekelt beiseite und bat mich, Papier zu holen, er wolle ein paar Briefe diktieren. Der erste war für Atticus. Er legte sich auf den Rücken, schloss die Augen und konzentrierte sich. Ich habe die Abschrift des Briefes hier vor mir liegen.
    Es ist lange her, dass ich eine Zeile von dir in Händen hielt. Über meinen Wahlkampf habe ich dir schon ausführlich berichtet. Im Augenblick bereite ich die Verteidigung meines Mitkandidaten Catilina vor. Wir haben geneigte Geschworene, und die Anklagevertretung wird in jeder Hinsicht kooperieren. Im Fall eines Freispruchs sollte Catilina einer Zusammenarbeit mit mir im Wahlkampf wohlwollender gegenüberstehen. Das ist zumindest meine Hoffnung. Sollte es anders ausgehen, werde ich es philosophisch nehmen.
    »Ha! Was bleibt mir auch übrig?« Er schloss die Augen.
    Ich brauche dich hier, und zwar bald. Jeder scheint der festen Meinung zu sein, dass deine adeligen Freunde sich große Mühe geben werden, um meine Wahl zu verhindern …«
    An dieser Stelle bricht der Brief ab, denn von oben war anstatt eines weiteren Schreis nun ein ganz anderes Geräusch zu hören - nämlich das krähende Kreischen eines Neugeborenen. Cicero sprang auf und stürmte die Treppe hinauf. Als er kurze Zeit später wieder zurückkam, nahm er mir schweigend Brief und Stift aus den Händen und schrieb eigenhändig oben auf die Seite:
    Ich habe die Ehre, dir mitteilen zu können, dass ich Vater eines Sohnes geworden bin. Terentia ist wohlauf.

     
    Wie die Anwesenheit eines gesunden Neugeborenen ein Haus doch verwandelt. Ich glaube, das liegt daran, obwohl das nur selten zugegeben wird, dass es einen doppelten Segen darstellt. Die unausgesprochenen, alle Geburten begleitenden Ängste - die vor Schmerzen, Tod und Missbildungen - sind gebannt, und an ihre Stelle tritt das Wunder eines neuen Lebens. Erleichterung und Freude sind ineinander verflochten.
    Natürlich war es mir nicht gestattet, Terentias Zimmer zu betreten, aber ein paar Stunden nach der Geburt brachte Cicero seinen Sohn nach unten und präsentierte ihn stolz den Mitgliedern des Haushalts und seinen Klienten. Viel zu sehen gab es nicht, um ehrlich zu sein, ein kleines rötlich wundes Gesicht und einen schwarzen Tupfer aus feinen Härchen. Er war eingewickelt in dieselben Wolltücher, die schon vor über vierzig Jahren bei Cicero ihren Dienst getan hatten. Aus seiner Zeit als Kleinkind hatte der Senator auch noch eine Silberrassel aufgehoben, die er jetzt über dem winzigen Gesicht hin und her wedelte. Vorsichtig trug er seinen Sohn ins Atrium und zeigte ihm die Stelle an der Wand, wo eines Tages, falls seine Träume sich bewahrheiteten, sein eigenes Bildnis als Konsul hängen würde. »Und dann«, flüsterte Cicero, »bist du Marcus Tullius Cicero, Sohn des Konsuls Marcus Tullius Cicero. Na, hört sich nicht schlecht an, was? Mit spöttischen Bemerkungen von wegen homo novus brauchst du dich nicht mehr herumzuärgern. Hier, Tiro, fühl mal, wie das ist, wenn man den Begründer einer neuen Politdynastie im Arm hält.« Er reichte mir das Bündel, und ich hielt es so linkisch in meinen Händen, wie es Kinderlose eben tun, wenn man ihnen ein Neugeborenes in den Arm drückt. Ich war erleichtert, als mir das Kindermädchen den Junior wieder abnahm.
    Cicero betrachtete inzwischen wieder versonnen den leeren Fleck an der Atriumwand und schwelgte in einem seiner Tagträume. Ich frage mich, was er da wohl gesehen haben mochte: seine Totenmaske, die ihn wie ein Spiegelbild anstarrte? Als ich mich nach Terentias Befinden erkundigte, sagte er zerstreut: »Was, ja, ja, alles in Ordnung. Du weißt ja, sie ist eine starke Frau. Zumindest ist sie schon wieder so weit bei Kräften, um mich wegen meines Bündnisses mit Catilina zu nerven.« Widerwillig wandte er den Blick von der leeren Wand. »Also dann, Tiro«, sagte er seufzend. »Unser Schurke wartet, den Termin halten wir besser ein.«
    Als wir an jenem Morgen bei Catilina eintrafen, war der ehemalige Statthalter von Afrika die Liebenswürdigkeit in Person. Später machte Cicero eine Aufstellung von Catilinas »widersprüchlichen Eigenschaften«, aus der ich hier zitieren möchte, da sie dessen Wesen gut beschreibt: … viele Menschen mit seiner Freundschaft für sich einzunehmen und sie durch Treue an sich zu binden;… seinen Besitz mit allen zu teilen und in Notzeiten all seinen Freunden zu Diensten zu sein, mit Geld, Einfluss, harter

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