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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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und Catilina war nie vollständig von Sinnen: wenn ja, wäre alles viel einfacher gewesen. Stattdessen beherrschte er sich und sagte: »Nun, dann muss ich dich wohl gehen lassen.«
    Cicero nickte. »Das musst du wohl. Lass die Unterlagen hier, Tiro. Wir brauchen sie nicht mehr.«
    Ich kann mich an kein weiteres Wort zwischen den beiden erinnern. Ich glaube, es fiel auch keins mehr. Catilina und Cicero wandten sich einfach den Rücken zu, die traditionelle Geste zur Besiegelung gegenseitiger Feindschaft, dann verließen wir die alte, leere, knarzende Villa und traten hinaus in die Hitze des römischen Sommers.

KAPITEL XV
     
    Es folgte ein höchst schwieriger und unruhiger Abschnitt in Ciceros Leben, in dem er sicher oft bereut hat, sich Catilina zu einem derart erbitterten Feind gemacht und sich nicht einfach mit irgendeiner Ausrede aus seiner Verpflichtung herausgewunden zu haben. Es kamen nämlich, wie er oft genug sagte, nur drei Ergebnisse für die anstehende Konsulatswahl infrage, und die waren alle drei nicht angenehm. Entweder er würde Konsul und Catilina nicht, dann wäre völlig offen, was sein geschlagener Rivale in seinem Groll unternehmen und wie weit er gehen würde. Oder Catilina würde Konsul und er nicht, dann würde er mit der ganzen Macht seines Amtes gegen ihn vorgehen. Oder - und das versetzte ihn meiner Meinung nach am meisten in Panik - er und Catilina würden gemeinsam Konsul, dann würde sein Traum vom höchsten Imperium zu einer einjährigen Dauerschlacht degenerieren, und die Staatsgeschäfte würden durch ihre erbitterte Feindschaft paralysiert.
    Der erste Schock traf Cicero ein paar Tage später bei der Eröffnung des Prozesses gegen Catilina. Der leitende Anwalt der Verteidigung war nämlich kein anderer als einer der Konsuln, Lucius Manlius Torquatus, das Oberhaupt eines der ältesten und angesehensten Patriziergeschlechter Roms. Catilina wurde von der gesamten alten Aristokratengarde ins Gericht begleitet - darunter natürlich Catulus, aber auch Hortensius, Lepidus und Curio der Ältere. Trost fand Cicero nur darin, dass sich Catilinas Schuld ohne jeden Zweifel offenbarte und dass Clodius, der auf seinen eigenen Ruf achten musste, anständige Arbeit leistete und alles aus den Beweismitteln herausholte. Torquatus war zwar ein weltgewandter und präziser Anwalt, aber er konnte auch nichts anderes tun als den - um eine damals gebräuchliche, ziemlich rüde Wendung zu benutzen - Scheißhaufen mit Parfüm zu beträufeln. Die Geschworenen waren zwar bestochen worden, aber die Zeugnisse von Catilinas Verhalten in Afrika waren derart schockierend, dass die Richter ihn fast schuldig gesprochen hätten. Allerdings wurde er nur per infamiam freigesprochen - das heißt, er wurde vom Gericht unehrenhaft entlassen. Aus Angst vor der Rache Catilinas und seiner Anhänger verließ Clodius kurze Zeit später die Stadt und trat in die Dienste von Lucius Murena ein, dem neuen Statthalter der Provinz Narbonensis in Gallia Transalpina. »Hätte ich Catilina doch selbst verteidigt«, stöhnte Cicero. »Dann säße er jetzt mit Verres am Strand von Massilia.«Wenigstens hatte er die Schande vermieden, Catilina als Verteidiger dienstbar gewesen zu sein - was er übrigens zum großen Teil Terentia zugutehielt. Seitdem legte er deutlich mehr Wert auf ihren Rat.
    Ciceros Wahlkampfstrategie sah vor, dass er Rom nun für vier Monate den Rücken kehrte und im Norden, bis hinauf zur Grenze Italiens mit Gallia Cisalpina, auf Stimmenfang ging. Soweit mir bekannt, hatte das noch kein Kandidat vor ihm getan, und obwohl Cicero die Stadt nur äußerst ungern für so lange Zeit verließ, war er davon überzeugt, dass es die Mühe wert war. Bei seiner Kandidatur für das Ädilat hatte es etwa vierhunderttausend registrierte Wähler gegeben. Inzwischen jedoch waren die Listen von den Zensoren aktualisiert und die Gebiete mit Wahlrecht bis zum Po ausgedehnt worden, sodass es nun fast eine Million Stimmberechtigte gab. Nur sehr wenige von diesen Bürgern würden jemals die weite Reise in Erwägung ziehen, um in Rom persönlich ihre Stimme ab zu geben. Wenn er es aber schaffte, so Ciceros Kalkulation, nur einen von zehn, mit denen er auf seiner Wahlkampfreise sprach, zu der Mühe überreden zu können, dann könnte ihm das auf dem Marsfeld den entscheidenden Vorteil bringen.
    Er setzte die Abreise auf den Tag nach den Römischen Spielen fest, die in jenem Jahr wie üblich am fünften September begannen. Und da traf Cicero der

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