Imperium
Staatsstreich!«, rief Cicero erregt, nachdem wir meine Aufzeichnungen komplett durchgegangen waren. »Diese zehn Regierungsbeauftragen unter Crassus und Caesar, das sind dann die wahren Herren des Landes. Die Konsuln und die anderen Magistrate, degradiert zu Nullen. Mit den im Ausland erplünderten Geldern können sie ihre Herrschaft zu Hause auf unbegrenzte Zeit absichern.« Er lehnte sich zurück und saß mit verschränkten Armen, das Kinn auf der Brust, lange Zeit schweigend da.
Ich war erschöpft von den Strapazen und wollte nur noch schlafen. Wir hatten die ganze Nacht durchgearbeitet, und die ersten Sonnenstrahlen fielen ins Zimmer: Der letzte Tag vor den Wahlen war angebrochen. Draußen stimmten die Vögel ihr morgendliches Konzert an, und kurz darauf hörte ich, wie jemand die Treppe herunterkam. Es war Terentia. Sie trug noch ihr Nachthemd, um die schmalen Schultern hatte sie sich einen Schal geschlungen; die Haare waren ungekämmt, und sie schaute uns aus ihrem ungeschminkten Gesicht verschlafen an. Ich erhob mich respektvoll und blickte verlegen zur Seite. »Marcus!«, rief sie, ohne mich zu beachten. »Was um alles in der Welt machst du so früh hier unten?«
Er erklärte ihr missmutig, was passiert war. Wenn es um politische oder finanzielle Dinge ging, konnte man Terentia nichts vormachen - wäre sie keine Frau und schon einigermaßen wach gewesen, dann weiß ich nicht, wie sie reagiert hätte. Terentia war durch und durch Aristokratin, und als sie begriff, was er gerade gesagt hatte, war sie natürlich entsetzt. Der Gedanke, staatliches Land zu privatisieren und dem Volk zu überlassen, war für sie der erste Schritt zur Zerstörung Roms.
»Du musst an vorderster Stelle dagegen ankämpfen«, bedrängte sie Cicero. »Das kann dir den Wahlsieg bringen. Jeder ehrbare Mann wird sich dir anschließen.«
»Ach ja, tatsächlich?« Cicero nahm eins der Notizbücher vom Tisch. »Offener Widerstand dagegen könnte übel auf mich zurückfallen. Ein großer Block im Senat war schon immer für eine Annexion Ägyptens - die eine Hälfte aus patriotischen Gründen, die andere aus reiner Geldgier. Und da draußen auf den Straßen, da wird der Ruf ›Kostenloses Land für alle!‹ Catilina und Hybrida wahrscheinlich mehr Stimmen einbringen als kosten. Nein, ich sitze in der Falle.« Er starrte das Konferenzprotokoll an und schüttelte langsam den Kopf wie ein Künstler, der trübsinnig über das Werk eines begabten Rivalen nachdenkt. »Das ist ein wahrhaft außerordentliches Komplott, ein politischer Geniestreich. Das kann sich nur Caesar ausgedacht haben. Und was Crassus angeht - für eine Anzahlung von gerade mal zwanzig Millionen Sesterzen kann er sich fast ganz Italien und Ägypten unter den Nagel reißen. Eine ziemlich lukrative Investition, das musst selbst du zugeben.«
»Aber du musst etwas dagegen unternehmen«, sagte Terentia. »Irgendwas.« Sie ließ nicht locker. »Du kannst das doch nicht einfach so zulassen.«
»Und was genau, schlägst du vor, soll ich unternehmen?«
»Und dich halten die Leute für den schlauesten Mann von ganz Rom?«, fragte sie wütend. »Das liegt doch auf der Hand. Du gehst als Erstes heute Morgen in den Senat und deckst das Komplott auf. Stell die Verschwörer an den Pranger!«
»Hervorragende Taktik«, erwiderte Cicero sarkastisch. (Ich begann mich in meiner Rolle als Zuhörer zunehmend unwohl zu fühlen.) »Ich enthülle die Existenz einer populären Gesetzesinitiative, und gleichzeitig verurteile ich sie auch noch. Du hörst mir nicht zu, Terentia: Die Menschen, die davon am meisten profitieren, sind meine Anhänger.«
»Nun ja, die Schuld, dass du von solchem Abschaum überhaupt abhängig bist, liegt ja wohl ganz allein bei dir. Das ist das Problem mit der Demagogie, Marcus - du denkst vielleicht, dass du den Pöbel kontrollieren kannst, aber am Ende ist es doch immer der Pöbel, der dich verschlingt. Hast du im Ernst geglaubt, du könntest es mit Männern wie Crassus und Catilina aufnehmen, wenn es darum geht, Prinzipien meistbietend zu verhökern?« Cicero brummte gereizt, hatte bemerkenswerterweise aber kein Gegenargument zur Hand. »Und sag mir doch bitte noch eins«, fuhr sie unbarmherzig fort. »Wenn dieses außergewöhnliche Komplott, wie du es nennst - ich würde es eher als ›Kriminelles Unternehmen‹ bezeichnen -, wirklich so populär ist, wie du sagst, warum dann diese Heimlichtuerei mitten in der Nacht? Warum sagen sie es dann nicht ganz
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