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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Parfüm- und Weihrauchgeschäfte befanden. Die Wohlgerüche versetzten meinen durch Schlafentzug geschwächten Körper fast in einen Rauschzustand. Meine Stimmung war seltsam losgelöst von der realen Welt und ihren Sorgen. Ich weiß noch, was mir damals durch den Kopf ging: Morgen um diese Zeit ist die Wahl auf dem Marsfeld schon in vollem Gange, und wahrscheinlich wissen wir auch schon, ob Cicero Konsul wird oder nicht, aber ob er es nun wird oder nicht, ändert nichts daran, dass die Sonne scheinen und dass es im Herbst wieder regnen wird. Ich trieb mich auf dem Forum Boarium herum und schaute den Leuten zu, die ihre Blumen und ihr Obst einkauften, und fragte mich, wie es wohl wäre, wenn man sich nicht im Geringsten für Politik interessierte, sondern - wie die Dichter sagen - »ein Leben im Schatten« genießt, vita umbratilis. Das genau hatte ich vor, wenn Cicero mir die Freiheit und einen Bauernhof schenkte. Ich würde die Früchte essen, die ich anbaute, und die Milch der Ziegen trinken, die ich aufzog; abends würde ich meine Tür zumachen und mich keinen Deut mehr um irgendeine Wahl scheren. Nie fühlte ich mich weiser als in diesen Augenblicken.
    Als ich schließlich das Forum erreichte, hatten sich im Senaculum schon gut zweihundert Senatoren eingefunden, die von einer neugierigen Menschenmenge begafft wurden - nach ihrer bäuerlichen Kleidung zu urteilen Leute vom Land, die für die Wahlen nach Rom gekommen waren. Flankiert von den Auguren saß Figulus auf seinem Konsulsstuhl in der Eingangstür zum Senatsgebäude und wartete darauf, dass die zur Beschlussfähigkeit erforderliche Anzahl an Senatoren zusammenkam. Hin und wieder gab es einen kleineren Aufruhr, wenn ein Kandidat samt seiner Anhängerschaft auf dem Forum einzog. Ich sah Catilina kommen samt seiner wunderlich bunten Corona aus junger Aristokratie und Abschaum der Straße und später dann Hybrida, dessen lärmende Truppe aus Schuldnern und Spielern wie Sabidius und Panthera im Vergleich dazu noch einigermaßen respektabel aussah. Die Senatoren begaben sich nun in den Sitzungssaal, und ich fragte mich schon, ob Cicero etwas zugestoßen sei, als vom Argiletum her Getrommel und Flötenmusik zu hören war und zwei Kolonnen junger Männer, die frisch geschnittene Zweige in die Luft reckten und um die fröhlich aufgeregte Kinder herumtollten, auf das Forum einbogen. Dann zog eine von Atticus angeführte Gruppe angesehener römischer Ritter ein, auf die Quintus mit etwa einem Dutzend Hinterbänkler aus dem Senat folgte. Einige Mädchen liefen vor der Parade her und streuten Rosenblätter auf den Boden. Ciceros Einzug stellte den seiner Rivalen bei weitem in den Schatten, und von der Menge wurde er mit entsprechendem Applaus empfangen. Im Mittelpunkt des Trubels, wie im Auge eines Tornados, marschierte der Kandidat selbst, der in die leuchtende toga candida gehüllt war, die er schon bei seinen drei erfolgreichen Wahlen zuvor getragen hatte. Da ich ihn normalerweise immer begleitete, kam es nur selten vor, dass ich ihn aus der Distanz beobachten konnte, und so fiel mir heute zum ersten Mal auf, dass er der geborene Schauspieler war, der, wenn er sein Kostüm angelegt hatte, erst zu seinem wahren Charakter fand. Als die kräftige Gestalt mit festem Blick an mir vorbeischritt, erschien er mir wie die Verkörperung all der Werte, die das traditionelle Weiß seiner Toga symbolisieren sollten - Klarheit, Redlichkeit, Reinheit. An seinem Gang und abwesenden Gesichtsausdruck erkannte ich, dass er schon vollkommen auf seine Rede konzentriert war. Ich schloss mich der Prozession an, und als er die Kammer betrat, brandete der Jubel seiner Anhänger auf, auf den seine Gegner umgehend mit Buhrufen antworteten.
    Man hielt uns zurück, bis der letzte Senator eingetreten war, dann ließ man uns bis zur Zuschauerschranke vor. Kaum hatte ich mir meinen guten Stammplatz am Türpfosten gesichert, als sich jemand zu mir vordrängelte. Es war Atticus, der vor Aufregung ganz bleich war. »Woher nimmt er bloß die Nerven, sich so was zu trauen?«, fragte er. Bevor ich antworten konnte, erhob sich Figulus und berichtete der Kammer über das Scheitern seines Gesetzesantrags in der Volksversammlung. Nachdem er eine Zeit lang auf seine leiernde Art gesprochen hatte, forderte er Mucius auf zu erklären, warum er gegen das vom Senat beschlossene Gesetz sein Veto eingelegt habe. Es herrschte eine drückende, nervöse Stimmung in der Kammer. Catilina und Hybrida saßen bei den

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